---homeVerlagsvertretung Tell Schwandt & Gabriele Schmiga, 14089 Berlin, Lerchenstr. 14, Tel 030-832 4051..bestellbuch@t-online.de

lyrik & prosa zwischen 
mittelmeer und tienshan
www.dagyeli.com
Dagyeli Verlag 
Muskauer Str. 4
10997 Berlin
www.dagyeliverlag.com
info@dagyeli.com
Telefon 030-644 968 61 
Reiseauftrag

Siemensstr.16
35463 Fernwald
www.prolit.de
Tel 0641-94393-22
Fax 0641-94393-199
service@prolit.de

Vorschau..:
Georgische Reportage
Istanbuler Reise
postsowjetische Texte
Zentralasiatischer Klassiker
Neuerscheinungen: 

Hakan Biçakci
Schlaftrunken
180 S., geb., € 20,00
978-3-935597-66-1
Was macht ein Endzwanziger, wenn er nicht in der Firma des Vaters im fernen deutschen Düsseldorf Karriere machen will? Er schreibt einen alternativen Reiseführer über seine Istanbuler Lieblingsorte, Cafés, Offtheater, Clubs und Buchhandlungen. Der Verlagsvertrag ist unterschrieben, eine hohe Auflage, Übersetzungen in mehrere Sprachen. Doch die Stadt verändert sich, Bagger rücken an, Läden schließen, über allem liegt Betonstaub und Lärm. Das Buchprojekt zerbröselt und mit ihm die Existenz seines Autors. Er erkennt seine Stimme nicht mehr, sein Gesicht ist ein anderes, seine Freundin macht sich Sorgen. Und dann diese Schlaflosigkeit, die ihn lähmt und nervös macht. Mühsam versucht er sein Leben zusammenzuhalten, mit Listen von Songtexten, Film-Noir-Listen, Listen der verschwindenden Orte. Der Riss in seinem Handydisplay wird immer größer, ebenso die Risse in den Wänden seiner Wohnung. Dann stirbt die geliebte Katze und in der zubetonierten Stadt findet sich kein Fleckchen Erde für ein Grab. Da beschließt der Endzwanziger, aus seinem Leben zu verschwinden, um der Schlaflosigkeit und seiner fremden Existenz zu entkommen. Kafkaesk könnte man Hakan B?çakc?s Roman nennen, kafkaesk ist auch Istanbul – zwischen stiller und offener Repression, Gruben unter glatten Oberflächen, Zeichen an der Wand.


Shorena Lebanidze
Wenn es sein muss, bringen wir dich zum Reden!
180 S., geb., € 20,00
978-3-935597-99-9
Die Hinrichtung eines berühmten Dirigenten 1937, eine »Medizinerverschwörung« 1972 und der Tod einer Journalistin 1983 in einer psychiatrischen Anstalt, drei reale Ereignisse im sowjetischen Georgien, die ein verstörendes wie erhellendes Bild von einem Land wiedergeben, das hinter der Klischeekulisse verborgen ist. Die Investigativjournalistin Shorena Lebanidze legt erneut eine lebenspralle, preisgekrönte literarische Reportage vor, die durch ihre einfühlsame Erzählweise brilliert.
Postsowjetische Welt


Yermen Anti
Die Wiederkunft der Wunderkinder

Gedichte zweiprachig
Aus dem Russischen von Mario Pschera
120 S., geb., € 18,00
978-3-935597-57-9
Die russischsprachige moderne Lyrik wurde im Westen in den 1920ern mit Blok und Majakowski gefeiert, in den 1960ern mit Andrej Wosnessenski für wichtig erachtet, in den 1980ern mit Wyssotski und Okudshawa noch zur Kenntnis genommen. Der ganze Reichtum literarischer Stimmen der Perestroika- und postsowjetischen Epoche wurde, von wenigen Ausnahmen abgesehen, im Westen ignoriert. Zeit, das zu ändern, denn der Osten lebt und hat etwas zu sagen, sei es auf Russisch, Ukrainisch oder auch Kasachisch.
Der Kasache Yermen »Anti« Yerzhanov ist Teil der westsibirischen Alternativszene, eines Netzwerkes von Dichtern und Musikern, die sich gegen eine zynische und brutale Staatsgewalt, Retrostalinismus und Turbokapitalismus positionieren, sich gegen Nazismus, Xenophobie wie auch westlichen Kulturpaternalismus stellen. Der studierte Philologe Yerzhanov baut komplexe Sprachbilder zur Musik seiner mittlerweile legendären Band »Adaptatsiya«, die zwischen melodischem Punk und Hardcore changiert. Bislang erschienen drei Gedichtbände von ihm in russischer Sprache, einer in französischer Übersetzung.

Leseprobe

Der Morgen bricht als Polizeitrupp an
Alle Eisen warten auf den Krieg
Du läufst durch wohlvertraute Kräuter
Gestern fielst du fast im Schlaf
Wie Watte aus Glas stürzte der Himmel
Und der Winter fährt dir an den Kragen
Wieviel Jahre krauchen wir bis zum April?
Kälte, Kälte, einzig Kälte
Du willst zu Asche werden…
Asche werden…
Krankenzimmer und Medikamente
Werkstore und Knäste
Völlig egal, was die Zeitungen schreiben
Die Zombiekinder glotzen krank
Ich weiß nicht, wer recht hat und wer mich belügt
Erinner mich nicht, wer Nummer ist und wer noch lebt
Einzig Waggons, Waggons, Waggons
So – genau so rattert das Leben vorbei
Du willst zu Asche werden…
Asche werden…
Auf dem verwelkten Leib der Freiheit
Auf dem gestümperte Kreuze brennen
Kriechen stumpf Militärkolonnen
Tief hinein in den magischen Dschungel des Landes
Hühneraugenharte Pflichten harren deiner hier
Doch das ist das Zeichen, wir sind hier
Deine Wut verwandelt sich in ein Maschinengewehr
Du willst zu Asche werden…
Asche werden…
Die verlogene Zeit, sie lacht sich eins
Sie weiß, heutzutage
Kaufen und verkaufen wir uns
Sogar den, der mit uns ist
Ihr – ihr müsst Merkur in Tempeln anbeten
Ihr – ihr müsst Träume kauen und kneten
Jeden Tag, während du das Scheißhaus putzst
Zum Lohn erhältst du traumlose Träume
Du willst zu Asche werden…
Asche werden…


---homebereits angekündigt:........................................................................................zurück nach oben

Dystopische postsowjetische Politsatire von einem der berühmtesten modernen Schriftsteller Zentralasiens:

Ak Welsapar
Kobra und der Herr Genosse Präsident
Roman, aus dem Russischen von Walerija Weiser
548 S., geb., € 29,00
978-3-935597-59-3
Musa Choli ist eine Wüstenkobra, darauf aus die Menschen um sie herum zu strafen, weil sie ihren Lebensraum mit Dünger vergiftet haben, der seit Jahrzehnten von den staatlich verwalteten Baumwollfeldern in den Boden gelangt. Musa Choli verwandelt sich in einen drahtigen, aalglatten Emporkömmling aus der Provinz und infiltriert die Machtstruktur durch Speichelleckerei und Täuschung. Bald hält er Reden als Bürgermeister von Charva, einer wichtigen Provinzstadt, und später, nachdem die Hauptstadt in die von ihm regierte Stadt umgezogen ist, rückt er in die oberen Ränge der Macht vor – in den inneren Kreis des Herrn Genossen Präsidenten. Hier wird die Schlange Zeugin der Heuchelei und Brutalität ungezügelter Macht und wird schließlich als Verräterin entlarvt.
Ak Welsapar, geboren am 19. 09 1956 ist ein im schwedischen Exil lebender turkmenischer Journalist und Schriftsteller. Welsapar schreibt auf Turkmenisch , Russisch und Schwedisch und ist Autor von mehr als 20 Büchern, und seine Bücher sind in vielen Sprachen erschienen. Die amerikanische Zeitschrift "The World Literature Today" schreibt in ihrer Besprechung des Buches: „Kobra ist ein Pflichtlektüre für alle Zentralasiensspezialisten und ein großartiges Buch für jeden, der sich für die Psychologie von Despoten interessiert." Buchpremiere 2023

Sait Faik
Ein Punkt auf der Landkarte
Erzählungen
202 S., geb., € 22,00
978-3935597-26-5
Dort, wo heute die Parteihäuser und das Kino stehen, befand sich früher ein Friedhof; zwischen Zypressen, Schierlingskraut und Brennnesseln standen moosbewachsene Grabsteine, geschmückt mit marmornen troddelbesetzten Fezen und Turbanen, auf denen geschrieben stand: Allein Allah bleibt; ein Ort, an dem Gräser und Wolken ineinandergingen und die Bäume gen Himmel wuchsen. An diesem Ort phosphoreszierte in der Nacht der weiße Marmor wie das Meer, spielten tagsüber Kinder Fangen, kletterten Halbstarke auf Walnussbäume, und auf den Gräbern hielten die Sira-, Boza- und Helva-Verkäufer ihr Mittagsschläfchen.
Genau diesem Friedhof gegenüber hatte Nedim Eskicizade zwischen aneinandergereihten, steinernen Lagerräumen sein Geschäftsgebäude von fünf Meter Breite und dreißig Meter Tiefe. Darin war eine drei Meter breite Schreibstube abgetrennt. In dieser Schreibstube saß ein Mann – mittelgroß, gedrungene Gestalt, gewiefter Gesichtsausdruck. Ich sehe ihn immer noch dort sitzen, mit einem Kaffee in der Hand und etwas in seine Bücher eintragend. Dieser Mann, der ohne einen Funken Todesfurcht auf die Grabsteine und Zypressen blickte, rief mich, als ich an seiner Schreibstube vorbeiging, zu sich, an einem Tag, während der Weltkrieg tobte, die Bäckereien der Stadt Brot nur auf Marken verkauften und in den Gassen hungrige Straßenhunde, Hinkende, Blinde und Alte unterwegs waren …

Sait Faik Abasiyanik (1906 – 1954) ein Klassiker der sozialrealistischen Skizzenliteratur und einer der ganz Großen: Er wurde am 14.05.1953 Ehrenmitglied der Mark-Twain-Gesellschaft, denn er war in den USA breit rezipiert. Zu seiner Aufnahme sagte er:
Das bedeutet ja, dass von nun an ein lokaler Kurzgeschichtenautor aus allen Ecken der Welt ausgewählt wird, um einer Gesellschaft anzugehören, die gegründet wurde, um Kurzgeschichtenautoren von Weltklasse zu gedenken“.
Aus einer großbürgerlichen Familie stammend, flog er wegen Aufsässigkeit von der Schule, studierte Literatur und Lehramt und lebte fünf Jahre in Frankreich. In bürgerlichen Berufen als Homosexueller diskriminiert scheiterte er regelmäßig. Das Schreiben war für ihn überlebensnotwendig; er schrieb über Außenseiter und »niederen Schichten«: Matrosen, Fischer, Kneipengänger, Straßenfeger, Postboten, Straßenmusiker, Armenier, Juden, Griechen …
Vor dem Misstrauen seiner bürgerlichen Umgebung und der Einsamkeit floh er in den Alkohol, in dem er schließlich ertrank.
Seine Kurzgeschichten und Erzählungen erlangten später Kultstatus und bezaubern bis heute durch ihren fast schon ins Surrealistische gehenden Tonfall. Der Band enthält neben anderen fünfzehn erstmals übersetzte Erzählungen.



Rakhymzhan Otarbayev
Der Verräter
220 S., geb., € 20,00
978-3-935597-58-6
Die Erzählungen des kasachischen Schriftstellers, Journalisten und Theaterregisseurs Rakhymzhan Otarbayev (1956–2018) bewegen sich an der Scheidelinie zwischen Satire und Tragödie. Wie einst Michail Soschtschenko übernimmt er oft die naive Sicht seiner Protagonisten, lässt Hinterwäldler auf die Moderne treffen, überkommene Bräuche auf überholte Ideologien und die Gnadenlosigkeit des speziellen postsowjetischen Turbokapitalismus. Ein einfacher Jäger fürchtet sich vor der Globalisierung, die ihm sein durchtriebener Gast ausmalt, ein Dorfmädchen sucht Arbeit und Glück und wird von einer Bordellbesitzerin zusammengeschlagen. Ein korrupter Mandatsträger muss sich vor der Wut der Demonstranten retten. Ein junger Mann verweigert den Eid auf das Vaterland, eine ältere Frau heiratet ihren jungen Liebhaber und zieht den Hass ihrer Umgebung auf sich. Altgewordene Arbeiter sinnieren beim Wodka über Fluch und Segen der Perestroika und in einem Erntelager gehen sich zwei ehemals nach Sibirien Verbannte wegen eines Stalintattoos an die Gurgel. Amerikaner und Chinesen haben Pläne für eine High-Tech-Rinderzucht – was wie Soschtschenkos »Kuh im Propeller« endet, und für einen hohen Staatsfunktionär muss ein repräsentatives Grab gefunden werden. In Otarbayevs Geschichten spiegelt sich die Dramatik eines Landes, das sich zwischen den imperialen Ansprüchen Russlands und Chinas behaupten muss und einen hohen Blutzoll entrichtete. Die romantische Verklärung der Steppe und nur leise Kritik an den Kolonialmächten, wie etwa bei Tschingis Aitmatow, sind seine Sache nicht. Er zieht mit drastischen Worten vom Leder, und doch schwingt eine ganz eigene Poesie darin. Das brachte ihm Ehrungen und Ächtung gleichermaßen ein, den Durchbruch in Westeuropa verhinderte sein zu früher Tod. Mehr von diesem Autor

Sevim Qelik-Lorenzen
Guten Morgen, Güzelim!
Geschichten vom Ankommen - Dokumentarische Frauenporträts
102 S., geb., € 18,00
978-3935597-55-4
Das in Ost und West berühmte Buch mit den Gesprächsprotokollen von Maxie Wander »Guten Morgen, du Schöne«, das ihr 1977 eine ältere Freundin in die Hand drückte, war ihr im Kopf, als sie begann, den Geschichten der türkischen Einwanderinnen der ersten Generation, damals Kinder oder junge Frauen, nachzuspüren. Die meisten waren schon über die 70, lebten allein oder in Altersheimen, einige verstarben mittlerweile. Und viele von ihnen sprachen zum ersten Mal über ihr Ankommen, über ihre Träume und Illusionen, über Enttäuschungen und Verletzungen, die sie erlitten hatten. Über harte, stumpfe Arbeit, Zurücksetzung, Aufstiegserfahrungen und Selbstbewusstsein. Über Solidarität und deutsch-türkische Freundschaften. Und vor allem über den Kampf gegen patriarchale Bevormundung und Gewalt, der bereits in der Türkei begonnen hatte und sich in Deutschland fortsetzte. Herausgekommen ist ein vielseitiges Porträt der Einwanderungsgeschichte und weiblicher Schicksale. Ergänzt wird der Band mit Abbildungen aus Dokumentationsstellen und privaten Fotoarchiven..
,.... Sevim Qelik-Lorenzenwurde 1961 als Kind kurdischer 
Eltern in Istanbul geboren. 

1968 kam sie mit ihrem Vater nach Berlin, arbeitete bei 
Siemens, bevor sie nach Hamburg und Barcelona ging. 

Heute lebt sie als freischaffende Malerin, Familientherapeutin 
und Beraterin in Hamburg. 

Sevim Qelik-Lorenzen steht für Lesungen zur Verfügung.



Gönül Kivilcim
Klinge
Ein Straßenkinderroman
Aus dem Türkischen von Johannes Neuner
172 S., geb., € 20,00
978-3935597-64-7
Mit dem Grundschulzeugnis in der Hand kehrt Sinan in das leergeräumte Häuschen in der Armensiedlung zurück. Sein Vater hat sich mit seiner neuen Frau aus dem Staub gemacht und für den ungeliebten Sohn keinen Platz mehr. Sinan treibt sich auf den Plätzen herum, auf denen die Gestrandeten sich sammeln, die Kinder aus den Dörfern, die Abgestürzten, und schließt sich einer Kinderbande an. Er wird zu Sinan die Klinge, dem Jungen, der sich die Arme ritzt, das Betteln, Stehlen und Sprücheklopfen lernt, und dass man dem Hunger und der Kälte mit Pillen und Verdünner beikommen kann. Die Händler vertreiben sie, die Polizei jagt sie und setzt sie an den Stadträndern aus. Als Sinan Gül begegnet, ergreift den Pubertierenden die Liebe. Er beschützt das Mädchen, will sie und sich aus dem Elend herausholen. Doch für Romantik ist nur im Kino Platz. Als ein Bandenkrieg eskaliert, plant Sinan den großen Auftritt.
Mit Witz und Wärme, ungeschönt und bisweilen brutal schildert Gönül Kivilcim das Leben einer Straßenkindergang, die Gewalt auf Polizeistationen, die Kehrseite der boomtown Istanbul. Ihr 2002 erstmals veröffentlichter, auf intensiver Recherche beruhender Roman wurde ins Englische übersetzt und ist Teil der neuen Literatur der türkischen Gegenkultur.
,.... Gönül Kivilcim, geboren 1963, studierte in Istanbul, 
bevor sie als Korrespondentin nach Berlin ging und 
ab 1993 für den WDR als Fernsehjournalistin tätig 
wurde. Nach ihrer Rückkehr in die Türkei arbeitete 
sie für die angesehene Zeitung »Radikal«, für NTV 
und den Kultursender »Arte« zu politisch brisanten 
Themen. Sie promovierte in Literaturwissenschaft 
und veröfffentlichte mehrere Romane und Erzählungen. 
Gönül Kivilcim steht für Lesungen zur Verfügung.


Sine Ergün
Solche wie Sie
Erzählungen
Aus dem Türkischen von Sebile Yapici
128 S., geb., € 18,00
978-3935597-61-6
»Solche wie Sie« ist eine Sammlung von 23 Kurzgeschichten: Über eine Frau in einem verlorenen Motel, ein müdes Paar auf dem Weg, einen alt gewordenen Aktivisten, über einen Mann, der sich seinem Rollenbild entzieht. Die Geschichten dringen tief ins Unterbewusste ihrer Hauptfiguren, graben nach Ängsten, unangesprochenen und unerfüllten Wünschen und Sehnsüchten. Sprachlosigkeit prägt das Verhältnis der Akteure zueinander. Manches liest sich wie eine Traumsequenz, ein Hinübergleiten von der realen in eine surreale, kafkaeske Welt, die von unbezeichneten bürokratischen Machtverhältnissen beherrscht wird. Sine Ergün gelingt es, auf einer allegorischen Ebene die Gedanken- und Gefühlswelt vor allem der jungen türkischen Generation zu beschreiben, die in der Zeit zwischen kultureller Öffnung und Autoritarismus ihre geistige Heimat suchen muss. Auffällig ist, wie die Autorin mit der Identität ihrer Figuren spielt. Sine Ergün vermeidet genaue Zuordnungen, lässt die Grenzen verschwimmen; selbst die zwischen Mensch und Tier, und eröffnet so weite Identifikationsfelder. Sine Ergün wurde 1982 geboren. In der Türkei erregte sie mit ihren unkonventionellen Kurzgeschichten schnell Aufsehen. Bereits ihr zweiter Erzählband wurden mit dem renommierten Sait-Faik-Preis für Kurzgeschichten ausgezeichnet. Ihr dritter, 2016 in der Türkei erschienener Band »Solche wie Sie« erhielt den Literaturpreis der Europäischen Union. Sine Ergün lebt und arbeitet in Istanbul.
Rezensent Gerrit Wustmann, 54books: "Es gibt Falltüren und Geheimgänge, die bisweilen Bezüge zu den Geschichten untereinander aufbauen. So ist es mit vielen von Sine Ergüns Geschichten, von denen die meisten nur wenige Seiten lang sind, dafür aber eine Wirkung entfalten, die manchem Roman auf hundert Seiten nicht gelingt.“


Levent Aktoprak
Unterm Arm die Odyssee —
Das Meer noch immer im Kopf
Gedichte
mit einem autobiografischen Essay
152 S., geb., € 18,00
 978-3935597-62-3
Türke — Vorzeigetürke — Deutschtürke: so fasst Levent Aktoprak die Genese der Fremdzuschreibung zusammen, die ihm als Kind des Ruhrpotts, Kneipengänger und BVB-Fan widerfährt. Die Türkei bereist er als Fremder, mit 500 Gramm Türkisch und den Geschichten der Verwandten im Gepäck – und dem Blick auf die politische Repression der Putschzeit. Zuhause im Ruhrpott wird er, wohlwollend liberal, wieder nach den Stühlen befragt, zwischen denen er gefälligst zu sitzen habe. Selbst die Liebe wird zur Kulturkampfarena, wo doch nur das Begehren zählt. Aktoprak macht sich über verschwiemelte Toleranz lustig in seinen Versen, nimmt zugleich die Geschichte der Einwanderer ernst, die als Gastarbeiter geduldet, aber nicht gewollt waren. Und die so viel Hoffnung in dieses fortschrittliche Deutschland gesetzt hatten.Wie seine Eltern oder sein Großvater. Zwei Gedichtbände, erstmals vor über dreißig Jahren veröffentlicht, lesen sich trotz der zeitgeschichtlichen Verankerung in den ‘80ern, als wären sie heute geschrieben. Assoziationen, Tagträume und spitze Alltagsskizzen, Fabeln und Beziehungsdramen verweben sich zu einem »Hier bin ich!«. Und komm mir nicht mit Stühlen!
Levent Aktoprak, geb. 1959, ist Schriftsteller, Hörfunk- und Fernsehjournalist (u.a. Deutschlandfunk).

Odyssee auf unbefahrenem Meer
Vierzig Jahre Literatur im Dagyeli Verlag
Herausgegeben von Jeanine Dagyeli und Sebile Yapici
300 S., geb., € 20,00
978-3-935597-97-5
Unser Jubiläumsband!
Anlässlich unserer zwei runden Geburtstage haben wir die Best-of aus 40 Jahren Verlagsprogramm zusammengestellt. Autorinnen und Autoren, die unseren Verlag über die Jahre geprägt haben, nicht wenige davon vergriffen. Der Titel »Odyssee auf unbefahrenem Meer« ist dabei gleich mehrfach lesbar: Nicht nur treten das Meer und die Odyssee in mehreren Verlagstiteln prominent auf, auch die Gründung des Verlags selbst war 1981 ein Vorstoß in unbefahrene Gewässer. Schließlich lässt sich auch unser aktuelles Programm unter diesem Gesichtspunkt verstehen – eine ausgedehnte Reise zwischen Mittelmeer und Tien-Shan-Gebirge, auf der wir Bücher aus der Türkei, Georgien, Azerbaidschan, Zentralasien und Sibirien genauso erkunden wie die deutsch-und türkischsprachige Literatur der sogenannten zweiten (und weiteren) Generationen. Eine Herzensangelegenheit war uns im Dagyeli Verlag von Beginn an die Lyrik, auch das spiegelt sich in diesem Band wieder. Eine Odyssee mit Gedichten, Erzählungen und Romanauszügen von: Levent Aktoprak, Rati Amaglobeli, Ahmed Arif, Lider Ersan, Tamri Fkhakadze, Nedim Gürsel, Nâzim Hikmet, Besik Kharanuli, Anatoloj Kim, Uchqun Nazarov, Aras Ören, Rahymzhan Otarbayev, Yüksel Pazarkaya, Jale Sancak, Fethi Savsçi, Zafer Senocak, Orhan Veli, und vielen anderen.
Zehn Kurzgeschichten - zehn Portraits von Frauen in der heutigen Türkei


Lider Eran
Das stürmische Mädchen
und andere Erzählungen
Aus dem Türkischen von Helga Dayeli-Bohne
128 S., geb., € 16,80
978-3-935597-95-1
Lider Erans Heldinnen, viele aus einfachen Verhältnissen, stemmen sich gegen ihr widriges Geschick in einer erzkonservativen, männerdominierten Gesellschaft. Sie wehren sich, wagen kleine und große Fluchten, und manche scheitern daran.
Die 1945 in der südosttürkischen Provinz geborene und in Istanbul aufgewachsene Lider Eran entdeckte schon früh ihre Liebe zur Literatur. Sie arbeitete als Lehrerin in Ostanatolien und Istanbul, wo sie bis heute lebt. Die Frauengestalten in Erans Kurzgeschichten in »Das stürmische Mädchen« sind inspiriert von realen Frauen und ihren Erzählungen, die sie literarisch verwandelt, um diese Geschichten vor dem Vergessen zu bewahren.
Leseprobe
Meinen Blick wurde gefesselt von einer unmittelbar vor mir, die mit schweren, aber gleichmäßigen Schritten in pomeranzenfarbenen Schuhen marschierte, daneben zwei Paar Hundepfoten, die sich mühten, im Takt Schritt mit der Person zu halten. Ganz langsam hob ich den Kopf. Zuerst waren unter einem kurzen Rock zwei dünne, doch gerade Beine mit zerknitterter Haut zu sehen, danach ein pomeranzenfarbener Poncho, der sie nur zum Teil bedeckte. Die Hälfte der kleinen Leinwand in ihrer Hand blieb unter dem Poncho verborgen. In der anderen trug sie die Pinsel. Die Landschaft war nun deutlicher zu sehen. Als sich mein Blick bis zu ihrem Kopf hob, fiel er auf ihre immer noch üppigen, blond gefärbten Haare. Ich kannte sie, es war die Stürmische, die da unmittelbar vor mir lief. Was ich im Himmel gesucht hatte, fand ich auf Erden. Ich näherte mich ihr und flüsterte: »Stürmische«. Sie drehte sich um. Ich konnte meinen Augen nicht trauen. Was war bloß aus dem schönen Gesicht geworden. Ihre blaugrünen Augen waren blutunterlaufen, darunter hingen tiefe Tränensäcke. Auf ihrem einst lachenden Gesicht lagen Zorn, Enttäuschung, Trauer. »Wer bist du? Niemand sagt heute noch ›Stürmische‹ zu mir. Die Stürmische, das war früher.« 
Ein Klassiker der zentralasiatischen Literatur Neuauflage nach der Besprechung in der FAZ:

Abdulla Qodiriy
Die Liebenden von Taschkent
Aus dem Russischen von Arno Specht, überarbeitet von Barno Aripova
364 S., geb., € 24,00
978-3-910948-01-3
Zum 120. Geburtstag des Reformers, Journalisten und Begründers des modernen usbekischen Romans, Abdullo Qodiriy, erscheint sein großer Roman 'Die Liebenden von Taschkent' erstmalig als unzensierte Ausgabe in deutscher Sprache. Vor dem Hintergrund einer feudalen Gesellschaft und der russischen Kolonialherrschaft entspinnt sich eine tragische Liebesgeschichte. Otabek, der Sohn eines reichen Kaufmanns aus Taschkent heiratet seine große Liebe, die jedoch von einem anderen begehrt wird. Dieser intrigiert gegen den Kaufmannssohn und bezichtigt ihn revolutionärer Umtriebe. Der wird daraufhin vom Regenten der Stadt zum Tode verurteilt. Die Anklage: er habe die Einwohner gegen den Khan aufgewiegelt. Der Henker führt ihn zur Richtstätte. Da betritt gehüllt in einen Umhang eine Frau den Palast und überbringt einen Brief, der Otabek in letzter Minute vor dem Tode bewahrt. Er erkennt in der Retterin seine Frau Kumusch.  Es kommt aber schlimmer als Otabeks Mutter ihren Sohn zwingen will eine zweite Frau zu heiraten - die siebzehnjährige Sainab. Otabek verschmäht Sainab und betritt ihr Gemach nicht, denn er liebt Kumusch. Die zurückgewiesene Zweitfrau sinnt auf Rache und es kommt zu einem tödlichen Showdown. Neben einer detailreichen Beschreibung der Verhältnisse im kolonialisierten Russisch-Turkestan bietet der Roman einen spannenden Einblick in die Diskussionen um die Entwicklung einer islamisch geprägten Gesellschaft, um Tradition, Ehre und Vergebung, die in vielen Aspekten sehr gegenwärtig erscheint. Rache und es kommt zu einem tödlichen Showdown.

Abdulla Qodiry gehörte zu einer Gruppe von Neuerern, die die erstarrte usbekische Gesellschaft revolutionieren wollten. Er pflegte Kontakte sowohl zu sozialistischen als auch reform-islamischen Kreisen und verschrieb sich der Aufklärung durch Volksbildung. Sein Roman >Die Liebenden von Taschkent« erschien zunächst ab 1923 als Fortsetzungsroman in Zeitungen und 1926 als Buch und wurde heftig diskutiert. Abdullo Qodiriy starb 1939 als Opfer des stalinistischen Großen Terrors und wurde erst 1956 rehabilitiert.


Rahymzhan Otarbaev
Der Schädel
Roman, aus dem Kasachischen von Adilbek Alzhanov
168 S., geb., € 18,00
978-3-935597-56-2
1846 wird Mahambet, der Dichter und Rebell gegen den Khan von gedungenen Mördern erschlagen. Mehr als hundert Jahre später rekonstruiert der Anthropologe Noel dessen Gesichtszüge, doch im Wissenschaftsbetrieb schlagen ihm Neid und Missgunst entgegen. In einem uralten Sakengrab entdeckt er eine Silberschale mit einer rätselhaften Inschrift. Niemand interessiert sich für seine Entdeckung. Enttäuscht verlässt er das Land und geht mit seinem russischen Mentor auf eine Forschungsreise nach Arizona. Als das unabhängige Kasachstan sich auf seine Historie besinnt und ein Denkmal für den legendären Dichter errichten will, erinnert man sich des Schädels. Doch dieser ist verschwunden. Nun beginnt eine wilde Jagd, denn der Kopf ist eine Million Dollar wert. Rakhymzhan Otarbayev schrieb anhand authentischer Ereignisse eine bitterböse Groteske, in der er mit den Zuständen in seiner Heimat hart ins Gericht geht. »Der Schädel« ist der erste Gegenwartsroman, der aus dem Kasachischen ins Deutsche übertragen wurde.

 Otarbayev, 1956 im westkasachischen Atyrau geboren, begann seine Karriere als Journalist und Radioredakteur. Heute ist er Regisseur vielbeachteter Dramen und Theaterleiter. Seit einigen Jahren veröffentlicht er auch Erzählungen und Romane, die bislang ins Russische, Englische, Arabische und Chinesische übersetzt wurden. Seine Arbeiten setzen sich kritisch mit gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander. Ein Band mit seinen Erzählungen ist derzeit in Vorbereitung.

Tamri Fkhakadze
Gärtnern im Kriegsgebiet
Aus dem Georgischen von Iunona Guruli
130 S., geb., € 18,00
978-3-935597-91-3
Zwei Brüder verlassen ihr Dorf in Richtung Hauptstadt. Der jüngere, Zaliko, will ein richtiger Großstädter werden und heiratet, der ältere, Robinzon, wird von der Sehnsucht nach der alten Heimat geplagt. Zaliko fliegt mit seiner Frau nach Amerika, um eine angeblich schwere Krankheit behandeln zu lassen, Robinzon kehrt während bewaffneter Auseinander- setzungen (wir erfahren nicht, ob in Ossetien oder Abchasien oder anderswo), in sein altes Dorf zurück. Dort erfährt er, dass sein Bruder Haus und Grundstück verkauft und damit seinen Amerikaflug finanziert hat. Damit nicht genug, schreibt ihm der Bruder, dass die Krankheit nur vorgetäuscht war. Aber von seinem Traum vom eigenen bebauten Land will Robinzon nicht lassen. Auf einer benachbarten Brachwiese ackert und sät er, doch die Einschläge kommen immer näher. Die Nachbarn fliehen, einige Männer fallen im Kampf. Der neue Besitzer seines Vaterhauses vermacht ihm Robinzons einstiges Grundstück, um es zu schützen. Und Robinson bleibt, er ist entschlossen, seinen Garten zu verteidigen.
Tamri Fkhakadze (geb. 1957), erfolgreiche Kinderbuchautorin, Szenaristin, Dramaturgin, veröffentlichte mehrere Erzählbände und Romane. »Gärtnern im Kriegsgebiet« wurde als Theaterstück aufgeführt und wird verfilmt. Szenische Lesung

Leseprobe:

Damals gab es gar kein Gebiet, Mann! Von keinem Krieg!
Das war eine normale Gegend, die grün vor sich hin wogte. Mein hirnloser Bruder ist daran schuld, dass von Anfang an alles schiefgelaufen ist, denn andernfalls…
Das Haus am Dorfrand gehörte uns. Dort, sieh mal, genau dort, wo jetzt die ganze Zeit Maschinengewehre gackern. Apropos Gackern, damals gackerten lediglich die Hühner, im Himmel flogen Vögel und Flugzeuge, die friedlich ihren Ziel folgten… Nicht solche, die jetzt wie die Waldohreulen über uns fliegen!
Unser Haus war zweistöckig, aus weißen Ziegelsteinen gebaut. Ein schöner Vorhof, Obst- und Gemüsegärten…
Unsere Eltern waren die Tollsten. Gott segne ihre Seelen …
Mein Vater – Georgier wie alle seine Vorväter, ein Mann, der mit »Brot und Wein« nicht geizte, redegewandt, gut aussehend …. Lediglich die Oma meiner Mutter war Ossetin. So gesehen war bei meiner Mutter ein wenig fremdes Blut beigemischt, aber wer achtete auf so etwas, Mensch! Wir waren doch eh alle miteinander vermischt und verflochten. Meine Mutter war von seltener Schönheit. Mein Bruder Zaliko ähnelt ihr von den Augen her ein wenig … Dem Körperbau nach kommen wir, beide Brüder, unserem Vater nach, hoch aufgeschossen, dünn wie eine Bohnenstange, kräftig …
Unsere Eltern sagten in ihrem ganzen Leben einander kein einziges lautes Wort. Sie aßen und wärmten sich am Feuer nie ohne einander. Sie haben uns umsorgt, großgezogen, eine gute Bildung ermöglicht, uns zu Männern gemacht. Dann gaben sie sich die Hände und verließen gemeinsam diese Welt. Uns hinterließen sie den verstummten Hof samt Haus.
Mein Bruder Zaliko hatte Forstwirtschaft in der Hauptstadt studiert, ich hingegen Agrarwirtschaft. Wir wohnten zur Miete bei einer russischen Babulja in einer Einzimmerwohnung. Die Babulja wohnte in der Loggia, wir im Zimmer. Abends tranken wir aus Babuljas Samowar gemeinsam Tee. Sie erzählte uns öfters, wie sie einmal mit einem Kosakenataman Walzer getanzt hatte und ein anderes Mal mit einem lockenköpfigen Panzerfahrer bis nach Berlin gefahren war.
Bumm! und eines Tages entschloss sich mein Bruder, Zaliko zu heiraten. Er zog bei der Familie seiner Frau ein, in das gegenüberliegende Gebäude. Ich blieb bei Babulja allein. Nach nicht mal einem Jahr verstarb die arme Frau. Eine Sache ist, dass sie die Augen schloss und starb, eine andere – dass sie ihre Einzimmerwohnung samt ihrer ganzen Habe mir vermachte. …
Weh dir, Robinzon! Meine Knie fingen an zu zittern und ich rannte in Richtung Hof. Ich kam mir wie in einem Traum vor. »Heh, Mama«, wollte ich schreien, »heh, Vatter!« Keine Ahnung, wer von ihnen. Ich verwechselte das Jenseits und Diesseits. Ich rannte, und sieh da, unser Tor steht offen, Mann! Da steht doch Oleg in unserem Hof und zerkleinert das Brennholz. Olega, Sohn von Zoja. Unser Nachbar. Währenddessen stand seine Frau mit breiten Hüften am Fuß der Treppe und rief die Hühnern: »Putt! Putt! Putt!«


Besik Kharanauli
Das Buch des Amba Besarion
Poem
Aus dem Georgischen von Julia Dengg
192 S., geb., € 20,00
978-3935597-98-2
Drei Erzählstimmen begeben sich auf eine Reise durch innere und äußere Landschaften – ein heiliger Narr und Wanderderwisch, ein kleiner altkluger Junge und sein Selbst als abgeklärter und reifer Mann. In der Nachkriegszeit taucht unter den Entwurzelten der verstoßene Mönch Amba Besarion auf, für die Dörfler eine faszinierende wie verstörende Erscheinung, selbstgenügsam, welterfahren und weltentrückt. Der kleine Besik versucht ihm nahe zu kommen, die Rätsel des Amba zu lösen. Er ist sich nicht ganz sicher, ob er sich nicht in jenen Außenseiter selbst verwandelt, der einen scharfen Blick auf Recht und Unrecht hat, auf das Glück im Unglück und umgekehrt. Die drei Stimmen kommentieren, jede auf ihre Weise, das Erhabene und das Lächerliche menschlicher Existenz. »Das Buch des Amba Besarion« ist ein Buch für lange Abende, ein philosophischer Wegbegleiter und Gewissenserforscher, der das Staubtrockene meidet und die wohlfeilen Antworten verachtet, und immer wieder ein Lächeln hervorzuzaubern weiß. Besik Kharanauli, geb. 1939, ist der Nestor der avantgardistischen georgischen Lyrik. 2015 war er für den Literaturnobelpreis nominiert.
Neues Deutschland, 20.11.21 : „Kharanauli...treibt ein Glasperlenspiel mit dem Leser.“


Yunus Emre
Das Kummerrad
Gedichte [zweisprachig] übersetzt von Zafer Senocak
96 Seiten, geb., € 22,00
978-3935597-60-9
Die mystische Dichtung Yunus Emres zählt zu den Grundpfeilern der türkischen Literatur. Er war im 13./14. Jahrhundert einer der ersten Dichter, die die türkische Volkssprache benutzten und eine Symbiose zwischen den islamischen und türkischen Traditionen verwirklichten. Deshalb wurde er von den städtischen kulturellen Kreisen mehr oder minder übersehen, während seine Gedichte auf dem Lande von Mund zu Mund gesprochen, gesungen und so erhalten wurden.
Erst nach Ausrufung der Republik und der kulturellen Neuorientierung der türkischen Gesellschaft wurde Emre als einer der größten türkischen Dichter gewürdigt, sein Einfluß auf die gesamte Volksdichtung sichtbar. Auch die moderne türkische Lyrik sieht in ihm ein wichtiges Vorbild, einen Meister der Sprache und des lakonischen Gedichtes. Yunus Emre gelang es, die komplizierten Glaubensvorstellungen der islamischen Mystik in klaren und eindringlichen Bildern auszudrücken. Seine humanistische Haltung und sein auf Gottesliebe konzentrierter Glaube machen ihn zu einem universellen Dichter. Yunus Emre wurde den Überlieferungen und Legenden nach Mitte des 13. Jhds. in Mittelanatolien als Bauernsohn geboren, trat in die Dienste eines Scheichs und wanderte als Derwisch durch ganz Vorderasien. Er ist einer der großen Denker der islamischen Aufklärung.

Yüksel Pazarkaya
Die Welt auf Gleisen
Erzählungen
248 Seiten, geb., € 20,00
978-3935597-63-0
Mit dem Mauerbau 1961 wurden die Arbeitskräfte knapp, also wurden Männer und Frauen aus der Türkei für das Wirtschaftswunder rekrutiert. Yüksel Pazarkaya erzählt ihre Geschichten: Das Ankommen in der Fremde, harte Arbeit, kleine Träume davon, Teil dieses Landes zu werden oder wohlhabend zurückzugehen. Geplatzte Träume, Angst vor der Arbeitslosigkeit, vor Behörden, vor der Ablehnung. Angst aber auch vor politischer Verfolgung in der Türkei, vor Armut, als Versager vor der Verwandtschaft dazustehen. Entfremdung von den eigenen, in Deutschland geborenen Kindern, Einsamkeit im Alter. Yüksel Pazarkaya führt seine Leser in die Fabriken und kleinen Imbisse, über Behördenflure, an Wartehallen und Bahnsteigen vorbei und beschreibt Menschen, denen zumeist ein Ankommen verwehrt ist; das Festhalten an Traditionen, die als Anker manchen in den Abgrund reißen. Und dass Annäherung möglich ist. Aus den Geschichten von sechs Jahrzehnten Einwanderung bildet sich ein umfassendes, sozialkritisches Bild deutscher Gegenwarten.
Der Schriftsteller und Übersetzer Yüksel Pazarkaya wurde 1940 in Izmir geboren und kam 1958 zum Studium nach Deutschland. 1986 wurde er Redakteur beim WDR, im gleichen Jahr erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande. 2000 hatte er die Chamisso-Poetikdozentur an der Technischen Universität Dresden inne. Er ist Mitglied des deutschen und des türkischen PEN.


Asim Bezirci
Nazim Hikmet
Leben. Werk. Kunst
Eine kritische Studie
Aus dem Türkischen von Helmut Flörchinger
232 S., br., € 16,90
978-3-935597-46-3
Asim Bezirci zeichnet den Lebensweg des bekanntesten türkischen Dichters nach: von den nationalistischen ersten Versen des Gymnasiasten aus gutbürgerlichem Hause, der sich bald zu Fuß auf den Weg macht, um sich den Befreiungsarmeen anzuschließen bis zum Kommunisten und Avantgardisten, der für seine Überzeugungen ins Gefängnis und Exil ging, ausgebürgert wurde, dessen Verse in aller Munde waren und zu Volksliedern wurden. Bezirci lässt an einem bewegenden Leben in einer bewegten Zeit teilhaben und liefert einen fundierten Zugang zu den Gedichten und den Umständen ihrer Entstehung. Weggefährten, Freunde und Feinde kommen zu Wort, in einem Langinterview erläutert Hikmet selbst seine Poetik. Ohne die Studie Asim Bezircis bliebe die Literaturgeschichte der Avantgarde des 20. Jahrhunderts lückenhaft.
.
In einer tief verschneiten Nacht
zerrte man mich vom Esstisch weg,
steckte mich in ein Polizeiauto,
schickte mich in einem Zug fort,
sperrte mich in ein Zimmer,
und so fing mein Abenteuer an
.


Shorena Lebanidze
Das bin ich — Pirosmani
Roman
Aus dem Georgischen von Lia Wittek
348 S., geb., € 20,00
978-3-935597-96-8
Niko Pirosmani, 1862 – 1918, in einer Bauernfamilie geboren, arbeitete als Eisenbahnschaffner und Milchhändler. Er brachte sich selbst das Malen bei und bestritt ab 1901 seinen Lebensunterhalt als Kneipenschildmaler und mit seinen Bildern, die er gegen Essen, Trinken und Unterkunft tauschte. 1912 entdeckten ihn die russischen Futuristen, in den 1920ern hatte er seinen posthumen Durchbruch in Paris, Picasso nannte ihn eine wichtige Inspirationsquelle. Bis heute gibt es stark beachtete Ausstellungen seiner Bilder, zuletzt in der Wiener Albertina, die Preise für seine Werke stiegen ins Astronomische. Die Details seines Lebens liegen jedoch noch weitgehend im Dunkeln.
Die Investigativjournalistin Shorena Lebanidze hat einen eigenwilligen Zugang zu diesem rätselhaften Maler gewählt. Aus Archivmaterialien, Befragungen von Zeitzeugen und Kunsthistorikern, dem Zusammensetzen einzelner Bruchstücke entwickelt sie in Romanform ein Mosaikbild eines ungewöhnlichen Lebens und Nachlebens, in dem nichts fehlt: dramatischen Szenen, Politik, Abstürze, eine heimliche Liebe, Rache, brennende Leinwände, Kunstfälscher und das große Geld.

wikipedia: The author died in 1918, so this work is in the public domain in its country of origin and other countries

Leseprobe
Dimitris Schützling war ein merkwürdiger Mensch. Wenn er aus der Molkerei zurückkehrte, nahm einen Imbiss zu sich, zog sich dann in die für ihn bereitete Kammer zurück und kein Mensch wusste, was er da tat. Das zum Garten hinausgehende Fenster war bis zum Morgen geöffnet. Hinter dem Vorhang rauchte eine Petroleumlampe und ihr Qualm war durchsetzt von Alkoholdunst, zusammen mit dem stechenden Geruch von Farben, die in Blechdosen sich mischten.
Des Morgens, wenn Nikala und Dimitri sich auf den Weg zum Jahrmarkt gemacht hatten, betrat Sabedo auf Zehenspitzen die winzige Kammer des Schützlings, machte sein Bett, sammelte die Zigarettenkippen vom Boden, leere Flaschen, Weingläser, kleine und große Pinsel mit angetrockneter Farbe, und warf einen Blick auf die an der Wand lehnenden schwarzen Wachstücher. Sie sah einen blauen Himmel mit weißen Wolken, eine grüne Wiese, einen Tisch voll verschiedenster Delikatessen, vornehme Herren mit gezwirbelten Schnurrbärten und Trinkhörnern in der Hand, Tiere, Alltagsszenen, Dorflandschaften, und sogar – Gott, vergib mir – vollbusige, schamlos entblößte Frauen … die Peinlichkeit trieb Sabedo das Blut in die Wangen. Sie wandte ihren Blick von den Wachstüchern. Zuckte mit den Schultern, bekreuzigte sich. Für sie, nicht nur für ihre Familie, sondern auch für das Sioni-Viertel, für die Stadt zu beiden Seiten des Mtkvari, für die ganze Welt breitete sich hier die vorerst noch fremde, unenthüllte, unberührbare, unfassbare Welt von Nikala aus.
Sabedo hatte keinen Ahnung von Nikalas Welt. Sie hatte keinen Schimmer, wann der vormalige Viehhirt, Hausdiener, Eisenbahner und angehende »Anstreicher« zum ersten Mal einen Bleistift, später den Pinsel in die Hand genommen hatte. Woher und warum er unentwegt eingerolltes, unter dem Arm geklemmtes Wachstuch, Linoleumstücken, Glasscherben, Blechstreifen, manchmal auch Karton und Leinwand, Tuben mit französischen und holländischen Farben, Gläser, Wassereimer zusammensammelte, rußende Kohlen aus dem Kamin, vom Dach herabgefallenen Mörtel, Kalk – alles, worauf und womit man etwas malen konnte. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie sich der Geschäftspartner und Teilhaber, der Anverwandte und Schützling von Dimitri, in einen täglichen Gast der Papajanzer Färberei verwandelt hatte, in einen Stammkunden des Verkäufers Mischa Patschua. Wie er unheilbar an der Malkunst, leidenschaftlich und bis zur Raserei erkrankte. Wie in seinen großen, traurigen Augen ein merkwürdiges Leuchten, ein Feuer, Rastlosigkeit saßen … sie hatte keine Ahnung. Sie konnte es nicht begreifen. Niemanden interessierte es. Nicht einmal sie. Dimitri nicht, nicht das ganze Sioni-Viertel, selbst die Stadt zu beiden Seiten des Mtkvari nicht. Keine einzige Menschenseele auf dieser Erde … außer den Verkäufer Patschua in der Färberei von Papajanz.



Uchqun Nazarov
Das Jahr des Skorpions
Roman, aus dem Usbekischen von Ingeborg Baldauf
2. durchgesehene und überarb. Auflage
296 S., geb., € 22,00
978-3-935597-54-8
Uchqun Nazarov (geb. 1934), das »Enfant terrible« der usbekischen Literatur, entwirft in seinem Roman »Das Jahr des Skorpions« ein finsteres Panorama der usbekischen Gesellschaft der 1940er Jahre: Der Roman folgt dem Weg dreier junger Frauen in den schwierigen Kriegsjahren. Lebensmittel sind knapp, die Männer an der Front, die Nichterfüllung des Arbeitssolls gilt als Sabotage und nur eine, Muqaddas, hat als Tochter eines skrupellosen Emporkömmlings und Kriegsgewinnlers keine materiellen Sorgen. Der »Skorpion« gibt sich als frommer Mann, der Allah im Munde führt und bedient sich gleichzeitig bestens des Stalinschen Repressionsapparates. Besorgt um seine Geschäfte und sein gesellschaftliches Fortkommen scheut er nicht vor Denunziationen und notdürftig kaschiertem Mord zurück und zerstört letztendlich sogar seine eigene Familie.

Uchqun Nazarov wurde in Taschkent geboren. In Moskau und Taschkent als Kinoregisseur ausgebildet, veröffentlicht er seit den 60er Jahren in usbekischer und russischer Sprache. Er drehte mehr als 10 Spielfilme für Uzbekfilm.
Roman zur deutsch-türkischen Geschichte seit der Kaiserzeit in neuer Ausgabe


Zafer Senocak
Deutsche Schule
Roman
2. überarbeiteten Neuauflage
200 S., Gb., € 18,00
978-3-935597-94-4
Salih Bey wurde Anfang des vergangenen Jahrhunderts als junger Kadett von Istanbul nach Berlin geschickt, um in der Armee des Kaisers ausgebildet zu werden. Er verliebt sich und bleibt in Deutschland, als deutscher Offizier nimmt er am Ersten Weltkrieg teil.
„In der Lehranstalt wurden wir von deutschen Lehrern ausgebildet. Die Deutschen hatten sogar zugestimmt, dass die türkischen Offiziere nach Deutschland kommen und in der deutschen Armee einer Ausbildung unterzogen werden. Reichskanzler Bismarck hatte nur eine Bedingung: Osmanische Offiziere, die eine Ausbildung in der deutschen Armee antraten, mussten die deutsche Uniform tragen. Dies war für die Wahrung der Disziplin und Ordnung der deutschen Armee schlechterdings notwendig. Die Deutschen dulden keine Unordnung. In der deutschen Armee hätten osmanische Uniformen den gewohnten Anblick stören können. Disziplin kann nur dann herrschen, wenn Haltung, Benehmen und Aufzug harmonieren. Alles andere ist undenkbar. Auf dieser Grundlage ist die nationale Einheit der Deutschen aufgebaut. Des Deutschen Zucht und Ordnung, eigentlich Vorbild für alle Welt, hatte für das Osmanische Reich, das aus einem Vielerlei von Nationen bestand, eine besondere Bedeutung. Wir waren von der Neugier für Deutschland beseelt. Manch einer unter uns machte gar keinen Hehl aus seiner Verehrung für Deutschland. An jenem Tag waren wir mit der Morgensonne aufgestanden. Wir hatten uns zurecht gemacht und nahmen unsere Plätze vor dem Bahnhof in Haydarpasa ein, dessen Bau kürzlich von den Deutschen fertig gestellt worden war. Hier abfahrende Züge würden eines Tages sogar Bagdad erreichen.“
Nach dem verlorenen Krieg quittiert Salih den Dienst und wird Geschäftsmann. Sommer 1941: Salih, inzwischen sechzig Jahre alt und seine Frau Annette sind kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nach Istanbul ausgewandert. Bald darauf verstirbt seine Frau und Salih beginnt, seine Memoiren zu schreiben. Hitlers Armeen haben die Sowjetunion überfallen. Salih will als deutscher und türkischer Patriot den »alten Kameraden« helfen. In seinen Augen sind deutsche und türkische Interessen durchaus im Einklang. Die Sowjetunion muß geschlagen werden. Er erhofft sich dadurch eine Befreiung der Türkvölker vom sowjetischen Joch. Mit dem deutschen Botschafter, Franz von Papen, ist er befreundet. Doch die Nazis, die bei ihm ein und ausgehen, verhalten sich gegenüber seinem Angebot reserviert bis ablehnend. Salih gerät mitten in einem Spionagekrieg, der in der neutralen Türkei ausgetragen wird. Nur langsam begreift Salih, was in Deutschland vor sich geht. Seine politisch naive Haltung wird zunehmend auf die Probe gestellt. Als eine Freundin aus früheren Tagen, die Jüdin ist, auf der Flucht nach Palästina in Istanbul auftaucht, bricht Salihs Welt gänzlich zusammen. Er weiß, dass er vom türkischen Geheimdienst beschattet wird und beschließt sich zu stellen...

Zafer Senocak, 1961 in Ankara geboren, wuchs in Istanbul und München auf. Er schreibt Bücher in deutscher und türkischer Sprache sowie essayistische Beiträge für Zeitungen und Rundfunk. Diese erscheinen in taz, Die Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Tagesspiegel, Rheinischer Merkur, Süddeutsche Zeitung sowie im Deutschlandradio, Deutschlandfunk und WDR. In den 1980er Jahren debütierte er mit Gedichten, für die er 1984 mit dem Literaturstipendium der Stadt München ausgezeichnet wurde. Weitere Gedichtbände, seine vielbeachteten Essaybände und vier Romane erschienen ab den 1990er Jahren. Seit 2004 veröffentlicht Senocak auch auf Türkisch. 2008 erschien der beim Dagyeli Verlag in deutscher Sprache Roman »Der Pavillon« (»Kösk« bei Alef Yaymevi /Istanbul). Zafer Senocak war »writer in residence« an verschiedenen renommierten amerikanischen Universitäten. Ein Portraitbuch über den Autor erschien 2003 in Großbritannien in der Reihe Contemporary German Writers. Senocaks Werke sind in mehrere Sprachen übersetzt worden; Ende 2008 erschien eine Auswahl seiner Gedichte in den USA. Zafer Senocak beschäftigt sich seit mehr als zwanzig Jahren mit deutsch-türkischer Mentalitätgeschichte und gilt als einer der profundesten Kritiker nationalistischer Ideologien.

Irakli Charkviani
Dahinschwimmen
Aus dem Leben eines Königs
Aus dem Georgischen von Iunona Guruli
200 S., geb., € 19,90
978-3-935597-93-7
In seinem autobiographischen Roman erzählt Charkviani subjektiv wie beispielhaft die Geschichte der »Generation Gagarin«, die unter dem Stillstand in der Sowjetunion litt, sich in Musik und Drogen flüchtete, und für die die Ära Gorbatschow zu spät kam. Seine Jugendfreunde scheitern tragisch und tödlich, er steigt zum Rockstar auf und begreift sich doch ebenfalls als Gescheiterter. Parallel erscheint sein Alter Ego, Rumi aus Kabul, der einen sowjetischen Soldaten erschießt und sich in einem Flugzeug wiederfindet, das er in die Luft sprengen soll. Rumi ist ein Wiedergänger des mystischen Poeten Mevlana Dshelaleddin Rumi, der aus dem Verlust seines Geliebten seine unsterbliche Poesie schöpft. Durch den Roman irrlichtert ein koboldhafter Lenin, der Charkviani wie Rumi dazu zwingen will, ihre historische Bestimmung zu erfüllen und zu Tatmenschen wider Willen zu werden. „Dahinschwimmen“ besteht aus einem Bewusstseinsstrom, durch den hindurch die Wirklichkeit wie Sprengkörper bricht. Irakli Charkviani (1961 – 2006), Sänger, Komponist und Dichter, war einer der einflussreichsten Vertreter des georgischen Undergrounds und wurde zum Idol seiner Generation. Seine Popularität wuchs auch nach seinem Tode. 2014 wurde der Roman »Dahinschwimmen« beim BBC-Literaturmarathon »Mein Buch« zum Sieger gekürt.

Besik Kharanauli
Sprich mir vor, Angelina!
Fünf Poeme
Aus dem Georgischen von Nana Tchigladze - nachgedichtet von Norbert Hummelt
300 S., ill., geb, € 22,90
978-3-935597-92-0
Die ausgewählten Poeme erzählen fragmentarisch ein Dichterleben, eingefangen in der Beengtheit von Zeit und Raum und allgegenwärtigen Geboten und Verboten. Der Blick geht zurück in eine unschuldige wie aufsässige Jugend, die ersten sexuellen Erfahrungen, die Suche nach dem eigenen Platz zwischen Dorf und großer Stadt, den Banalitäten des Alltags und der großen Bühne. Die Natur durchbricht wie eine bläkende Kuh die stille Reflexion, der Tod durchschreitet als skurriler Geselle die Szenerie und jeder Ruhm zerfällt zu Staub. In Kharanaulis Dichtung treffen Detailbesessenheit und das Denken in Jahrhundertschritten, subtile Erotik und derber Spott zusammen und machen die Lektüre zu einem lang nachhallenden Erlebnis. Besik Kharanauli (geb. 1939), gilt als der Nestor der georgischen Lyrik. der tief aus der lyrischen Tradition schöpft, Aufgrund seines Schreibens im freien Vers wurde er mit Walt Whitman und Ezra Pound verglichen. 2015 war er für den Literaturnobelpreis nominiert.
»Rati Amaglobeli ist der Derwisch der zeitgenössischen georgischen Lyrik.«

(Ingrid Degraeve, Poetry International, Rotterdam)

Reti Amaglobeli
Geheißen: Kains Ernte oder: der Tod der Logik
Gedichte, georgisch-deutsch, aus dem Georgischen von Inne Widmer und Nana Tchigladze, Nachdichtung von Sabine Schiffner
96 S., ill., geb., € 18,00
978-3-935597-90-6
Der Lyriker, Übersetzer und Live-Performer Rati Amaglobeli, Jahrgang 1977 wurde nicht zuletzt durch sein Elektroprojekt mit dem Musiker Gogi Dzodzuashvili über die Landesgrenzen berühmt und zu einem gern gesehenen Gast auf internationalen Festivals. Er ist Mitbegründer des Literaturpreises SABA, hat eine Literatursendung im Fernsehen und war von 2011 bis 2018 Vorsitzender des georgischen Pen-Clubs. Er übersetzte Werke von Goethe, Morgenstein, Nietzsche, Rilke, Zvetayeva und Brodsky ins Georgische.
Die in dieser bibliophilen Ausgabe versammelten Gedichte aus verschiedenen Gedichtzyklen wurden vom Autor speziell für diese deutsche Veröffentlichung zusammengestellt.


Ahmed Arif
Die Ketten aufgezehrt vor Sehnsucht nach dir
Hasretinden Prangalar Eskittim
Gedichte - deutsch/türkisch
160 S., geb., 18,00 €
978-3-935597-44-9
Ahmed Arif wurde in Diyarbakir geboren und begann bereits als Gymnasiast ab 1943 in linken Literaturzeitschriften zu veröffentlichen. Ein frühes Gedicht, das er als Student der Philosophie schrieb, machte ihn bekannt und brachte ihn ins Gefängnis. Es beschrieb die extralegale Hinrichtung von 33 kurdischen Schmugglern durch das Militär, ein Skandal, der die Republik erschütterte. Arif wurde mehrfach wegen »kommunistischer Propaganda« angeklagt und inhaftiert. Beeinflusst von Nâzim Hikmet und André Gide, entwickelte Arif einen eigenen Stil, der die Formensprache der Moderne mit den Mythen und Epen der kurdischen Berge verband und die vielfältigen Dialekte und Sprachen Anatoliens aufnahm. Mit seinen Gedichten schuf er gleichsam eine poetische Landkarte seiner Heimat. Seine politische Haltung verhinderte im repressiven Klima der 1950/60er Jahre jedoch eine vielversprechende künstlerische Karriere. Arif schlug sich als Korrektor und Lektor durch und veröffentlichte gelegentlich in Literaturjournalen. Erst 1968 erschien sein einziger Gedichtband »Hasretinden Prangalar Eskittim«, der unzählige Auflagen und Raubkopien erlebte. Seine Gedichte aber fanden Aufnahme in Liedern der Popkultur und in legendären Filmen von Yilmaz Güney.
Du erblühtest,
in meiner Einsamkeit
Blau und Grün,
Erblühtest.
Hasenblut, rotgetupft - glänzend.
Ich besiegte die Schmerzen, den Verrat …

Gehen,
in deinen Augen gehen: in die Verbannung.
Liegen,
in deinen Augen liegen: im Knast.
Wo sind deine Augen?

Kein »To be or not to be«.
Und gar kein »Cogito ergo sum« …
Hauptsache ist, zu verstehen das Unvermeidliche,
Die unaufhaltsame Lawine
Die endlose Strömung.

Trinken,
in deinen Augen trinken: das Mondlicht,
ankommen,
in deinen Augen ankommen: im Geheimnis der Seele.
Wo sind deine Augen?
In meiner Seele Geheimnis warst du eine Seele
Kein Blut, unsere Liebe ergoss sich in die Nacht,
Als der Henker die Schlinge
zuzog …

Hören,
In deinen Augen hören: drei Bäume,
Schweigen,
In deinen Augen schweigen,
Rasiermessergleich …
Wo sind deine Augen?




Haydar Karatas
Nachtfalter
Aus dem Türkischen von Sara Heigl
320 S.,geb., 18,00 €
978-3-935597-89-0
1938 wird eine junge Frau von den Nachbarn aus dem Dorf gejagt. Ihr Mann, ein einflussreicher Stammesführer, war als Freischärler von den Regierungssoldaten getötet worden. Die Dorfbewohner fürchten weitere Vergeltungsaktionen. Mit ihrer fünfjährigen Tochter an der Hand macht sich die Frau auf einen beschwerlichen Weg. Hunger und Kälte wüten in den Dörfern, die Männer werden zum Kriegsdienst eingezogen oder verstecken sich in den Bergen. Die Gedanken der Rebellen kreisen um Ehre, Rache und Blut, während die Kinder und Frauen ums nackte Überleben kämpfen. Die Mutter sucht eigentlich nur einen ruhigen Platz für sich und ihr kleines Mädchen. Doch die neue säkulare Macht bestimmt sie, entgegen den archaischen Sitten, zur Erbin über die riesigen Ländereien ihres getöteten Mannes und legt das Schicksal der Dorfbewohner in ihre Hände. Nun gerät sie in einen erbarmungslosen Kampf der Familien um Land und Einfluss. Und mittendrin ein kleines Mädchen und eine seltsame Puppe, die wie ein Nachtfalter aussieht …
Haydar Karatas (geboren 1973) saß als politischer Aktivist im Gefängnis, bevor er in die Schweiz emigrierte, wo er seitdem als Schriftsteller lebt. Er erzählt die große Tragödie der Provinz Dersim, als das türkische Militär brutal gegen die dort lebenden kurdischen Aleviten vorging, ganz und gar unheldisch aus der Perspektive eines kleinen Mädchens:
Der Dersim-Aufstand war der letzte große Kurdenaufstand in der Türkei. Er ereignete sich 1937/38 in der Region Dersim, die in etwa der heutigen Provinz Tunceli entspricht, und wurde von den Eliten der sogenannten Dersim-Kurden angeführt, welche zu den Zaza zählen. Als Anführer gilt Seyit Riza. Staatlichen türkischen Berichten zufolge sollen zehn Prozent der insgesamt 65.000 bis 70.000 Einwohner der betroffenen Teile des historischen Dersims im Verlauf der Auseinandersetzungen getötet worden sein. Die Regierung schlug die Revolte mit massiver Gewalt gegen Rebellen und Zivilisten nieder. Zahlreiche Bewohner wurden aus ihren Dörfern vertrieben, die anschließend zerstört wurden. Die Verluste auf Seiten der Armee betrugen etwa 100 Soldaten. Im Jahr 2011 entschuldigte sich die türkische Regierung für die Massaker und räumte 13.806 Todesopfer ein.



Jale Sancak
Die Stadt der verlorenen Lieder
Literarische Streifzüge durch Istanbul
188 Seiten, frz. brosch., € 14,50
978-3-935597-78-4
Städte werden zu den Orten, die sie sind, durch die Menschen, die in ihnen wohnen und ihnen einen unverwechselbaren Charakter geben. Jale Sancak begibt sich auf die Suche nach diesen Menschen. Sie befragt die Leute auf der Straße, trifft sich mit lokalen Größen, Architekten und Bauingenieuren, Straßenhändlern und den Originalen von 17 Istanbuler Stadtvierteln. Sie sucht nach den Spuren der Vergangenheit, den Kiezmythen und Legenden und beobachtet den Wandel der pulsierenden Großstadt. Aus diesen Dokumenten erschafft sie Skizzen vom Leben der Türken, Griechen, Juden, Kurden, Armenier und Roma, der Yuppies und Kleinkriminellen, der Tagelöhner und Lebemänner.
Der Bogen spannt sich von dem Nobelquartier Niþantaþý bis nach Sulukule, dem Viertel der Zigeuner. Als Musiker und Blumenverkäuferinnen sind die Roma im Nachtleben der ganzen Stadt präsent. Niþantaþý auf der europäischen Seite orientiert sich am New der York High Society, internationale Modehäuser prägen das Straßenbild. Gegenstück auf der asiatischen Seite des Bosporus ist die Baðdad Caddesi, wo Heranwachsenden regelmäßig Autorennen veranstalten. In Hacý Hüþrev dagegen leben viele Gauner gemäß dem Grundsatz: »Sein Brot schafft er aus dem Nichts.« Der Stadtteil Fener wiederum ist der Sitz des »Vatikans« der orthodoxen Kirche. Im Frühjahr das Oberhaupt der Kirche traditionell ein Kreuz ins Meer. Und plötzlich findet sich sein Bild auf einem Kartenspiel wieder. Galata ist berühmt als Wohnort der Venezianer, die Gazi Mahallesi wird von Aleviten und Kurden bevölkert.
Jale Sancak pflegt den Stil der Reportage, ungezwungen bewegt sie sich inmitten der von ihr Porträtierten. In ihren Texten mischen sich literarischer Stil mit dem Slang der Straße und den Geräuschen der immerwachen Stadt.


E. Fuat Keyman/Nurhan Yentürk
Debatten zur globalisierten Türkei
Wirtschaft, Politik, Gesellschaft
316 S., € 18,00
978-3-935597-72-2
Der bereits 2010 erschienene Band versammelt Analysen namhafter Wissenschaftler: Antworten auf Fragen, die hierzulande in den Medien immer noch kaum gestellt werden: Wie konnte die »Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung « (AKP) so einen rasanten Aufstieg nehmen? Ausgangspunkt ist der Militärputsch 1980, der den Weg für den neoliberalen Umbau des Landes freimachte. Die kemalistischen Eliten des Landes stürzten das Land in schwere Wirtschaftskrisen. Die Vorgängerpartei der AKP betrieb noch allein religiöse Propaganda, Erdogan hingegen setzte auf die soziale Karte. Als Bürgermeister kümmert er sich um ganz reale Probleme und erwarb sich so den Ruf eines ehrlichen Modernisierers. Die AKP schien die Partei zu sein, den Sumpf aus Korruption, tiefem Staat und wirtschaftlicher Vernachlässigung des anatolischen Hinterlands auszutrocknen. Detailliert beschreiben die Autoren die ökonomische Entwicklungen in der Türkei; von den Auswirkungen der Finanzkrise über das Außenhandelsdefizit, das Sozialversicherungssystem und die politische Ökonomie der AKP bis zur Problematik der EU-Beitrittsverhandlungen. Analysiert werden ebenso geopolitische Konzeptionen, das Verhältnis von Neoliberalismus und Islam und nicht zuletzt das Schulsystem der Türkei, das ein Gemisch aus Opfermythos, Staatshörigkeit und Nationalstolz propagiert und letztlich anfällig macht für Verschwörungstheorien, autoritäres Denken und Hass auf Minderheiten. Haben sich auch einige Schlussfolgerungen der Autoren hinsichtlich der demokratischen Potentiale der AKP als zu optimistisch erwiesen, bieten doch die tiefgehenden Untersuchungen eine schlüssige Erklärung für die gegenwärtigen Prozesse und die zögerliche Haltung des Westens, sich zu den Menschenrechtsverletzungen in der Türkei klar zu positionieren. Die Präsenz deutscher Großunternehmen in der Türkei beipielsweise ist in den letzten zehn Jahren massiv angestiegen. Konsumieren und Beten, frei von gewerkschaftlicher Organisierung und gesellschaftlicher Mitbestimmung, optimiert die Rendite. Islamismus und freier Markt sind kein Widerspruch. 


Die Nase des Sultans
Illustrierte Geschichte der türkischen Karikatur vom 19. Jh. bis in die heutige Zeit.
zweisprachig 2010 erschienen (Hrsg.: Sabine Küper-Büsch und Nigar Rona)
264 S., € 28,00
978-3-935597-68-5
Es fing alles mit einer Nase an. Der von Sultan Abdülhamit II nämlich. Der hasste Anspielungen auf sein formidables Riechorgan derart, daß er selbst das Wort Nase durch die Zensur komplett verbieten ließ. Eine Steilvorlage für die Meister des spitzen Stiftes. Nie spielte eine Nase vorher oder nachher eine größere Rolle in der bildenden Kunst. Bis heute ist den türkischen Zeichnerinnen und Zeichnungen nichts heilig. Aufs Korn genommen wird so ziemlich alles, was sich sonst in der Tagespresse nur selten in dieser Direktheit findet: die Rückständigkeit der Dörfler, das übermächtige Militär, autoritäre Familienstrukturen, prügelnde Polizisten, mafiöse Politiker, Gewalt gegen Frauen, Kinder und Minderheiten, sich wandelnde Moralvorstellungen, Cyberwahn, Fundamentalisten und Faschisten, die Orientalismen des Westens und die Stereotypen über den Westen.
Turgut Ceviker führt durch die Geschichte der Karrikatur im Osmanischen Reich und der Türkischen Republik. Sabine Küper-Büsch und Nigar Rona präsentieren das legendäre Satiremagazin »Girgir«(Spaß) aus den wilden 70ern und seine Nachfolger »LeMan und »Penguin«. 40 Karrikaturistinnen werden auf je zwei Doppelseiten mit Kurzbiographie und ihren Bildern vorgestellt. Vervollständigt wird das Buch durch ein Personen- und Publikationsregister.


Kenan Mortan /Monelle Sarfati
Heimatliche Fremde
Türkische Migration nach Deutschland
356 S. Br., € 18,00
987-3-935597-83-3
50 Jahre türkische Arbeitsmigration sind ein Anlass für Sonntagsreden oder alarmistische Prognosen. Oder für eine Feldforschung zu 50 Jahren Hoffnung und Enttäuschung, Anpassung und Abgrenzung, Nationalismus und Transnationalität. Kenan Mortan und Monelle Sarfati haben im Zeitraum von 2009-2011 in vier deutschen Städten türkischstämmige Arbeiter, Künstler, Politiker, Unternehmer, Schulabbrecher, Hausfrauen und Rentner nach ihren Erfahrungen und Einschätzungen befragt. Eingebettet in einen kurzen Abriss der historischen und ökonomischen Bedingungen der Arbeitsmigration vermitteln die Ergebnisse ein dem medialen Mainstream entgegengesetztes Bild: Ein Großteil der Befragten begreift sich als »Deutschländer« mit einer hybriden Identität, die sich als integrale Bestandteile der deutschen Gesellschaft sehen. Ausgrenzung und Selbstabschottung verlaufen nicht nach ethnischen, sondern sozialen Kriterien. Die sogenannte Integrationsdebatte entpuppt sich als Teil der gewünschten Seggregation bestimmter Bevölkerungsgruppen. Die Studie von Kenan Mortan & Monelle Sarfati besticht durch Detailreichtum, die Unterschiedlichkeit der vorgestellten Charaktere und Schicksale und Schlussfolgerungen, die weder beschönigen noch verteufeln, sondern nach Perspektiven der »Deutschländer« fragt. Dabei werden im positiven wie negativen die praktischen Fortschritte der derzeitigen Integrationspolitik in Deutschland und ihrer Auswirkung auf die Gesamtgesellschaft einer kritischen Betrachtung unterzogen. Der interessierte Leser erfährt zudem anhand vorgestellter Vereine und Institutionen – von Gülen-Schulen bis zu DiTiB – etwas über kaum öffentlich thematisierte Organisationsformen migrantischen Lebens in Deutschland wie auch über den Konflikt zwischen den Generationen, den Zuwanderern der ersten Generation und der hier Geborenen, die anderen Lebensentwürfen folgen.

Monelle Sarfati lehrte auf Zypern Öffentliches Recht und lebt heute in Istanbul.
Kenan Mortan lehrt Wirtschaftswissenschaft   an der Mimar Sinan Universität Istanbul und arbeitet als Sachbuchautor.
lieferbar:


Nalan Barbarosoglu
Silbernacht
220 S., Gb., € 18,80
978-3-935597-70-8
In einer Stadt mit reicher Vergangenheit spielen sich die kleineren und größeren Alltagsturbulenzen einer Metropole ab - ein allegorischer wilder Stier, der die Menschen zertrampelt, wenn sie ihn erzürnen. Die Protagonistin Gülnaz, aufgrund unglücklicher Lebensumstände zur Prostituierten geworden, stemmt sich gegen das wilde Tier. Gezwungen, einen Soldaten zu heiraten, den sie kaum kennt, folgt sie ihrem Mann in die kleine Provinzstadt, in der er stationiert ist. Tagsüber wäscht sie die Wäsche der Soldaten, abends wird sie von ihrem Mann an seine Kameraden verkauft. Vor ihrem unerträglichen Dasein als Soldatenhure und dem Gerede in der Kleinstadt flieht Gülnaz nach Istanbul. Ohne Geld und Ausbildung bleibt ihr nur die Prostitution. Sie versucht, die Männer zu bezwingen, die sich an ihr vergehen, ermordet sie gar. Gülnaz wird damit zur Projektionsfläche für erlittenes Unrecht. Ihre Verbrechen bleiben ungesühnt, sie kommt und geht wie ein Gespenst. Mit jedem Mord gewinnt sie an Kraft. Sie mordet, um den Makel von sich und der Stadt abzuwaschen, der sich in den 80er Jahren, in den Putschzeiten, auf ihr anhäufte.   Nahezu unbemerkt vermischen sich in Episoden die Ebenen der Realität und des Fantastischen zu einem expressionistischen Roman. Das Monstrum Stadt, das als reißender Stier über Istanbul thront, erinnert das unfassbare Grauen der gothic novel. Das Rätselhafte des modernen Lebens löst sich nicht kontinuierlich auf, sondern auf Umwegen. Vieles bleibt ambivalent, wie die selbstentfremdete und sich selbst entfremdende Jagd nach dem Glück und Gülnaz' Suche nach ihrer Identität. Nalan Barbarosoglu spielt mit Metaphern und dem Symbolgehalt der Wörter. Ihre Sprache ist Musik, der Soundtrack von Schreckensszenarien. Sie ist poetisch, klar, entwirft Stimmungsbilder. Sie berichtet, beschreibt bis ins Detail, betrachtet mit den Augen eines Philosophen die Welt - doch diese Welt ist zumeist sprachlos.

Wann bin ich dir ferner, wenn
du meinen Körper wie ein
lichtdurchflutetes Wasser
umschließt oder wenn ich,
nachdem ich mich in Glut ver-
wandelte, an deinem Körper
nach und nach abkühle? Das
ist die Frage, Gülnaz, die in
dieser Nacht ohne dich in
meinem Gehirn ein Feuer ent-
facht...
Mit dieser Frage erlebe ich die
sternlose, regenschwere
Nacht... Mit dieser Frage lerne
ich ein weiteres Mal auswen-
dig, wie dein Kissen, dein
Laken, dein Bettüberzug
gewebt ist. Der Südwestwind
sammelt, während er sich in
das Dunkel der Nacht schiebt,
die Wolken ein.
Ich höre die Stimme des lauen
Windes, der die Vorhänge am
offenen Fenster bauscht.
Aber mitten in der Menge bist
du ein Phantom, das mich
nicht wahrnimmt.


Nalan Barbarosoglu wurde 1961 in Adapazari geboren. Ihr Studium schloß sie 1982 an der Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Istanbul-Universität im Bereich Philosophie ab. Etwa zur selben Zeit begann sie auch mit dem Schreiben, ihr erstes Werk setzt sieh mit der Philosophie Thomas Kuhns auseinander. Heute lebt Nalan Barbarosoglu als Schriftstellerin und Lektorin in Istanbul. In der Türkei hat sie vier Erzählbände veröffent. »Silbernacht« ist ihr erstes Buch, das vollständig auf deutsch erscheint.




Leben und Sprüche
der Sufi-Meister
des Islam
Aus dem Persischen von Hossein Kazemzadeh-Iranschähr
192 Seiten, frz.brosch., € 12,00
 978-3-935597-39-5
»Bei der Betrachtung des Lebens der Mystiker (…) erkennen wir, daß drei große Eigenschaften ihr Leben durchdrungen und gekennzeichnet haben. Diese Eigenschaften sind Weisheit, Schöpferkraft und Selbstbeherrschung. Aus der Weisheit haben diese gotterfüllten Mystiker jene tiefe Erkenntnis geschöpft, welche die Denker aller Zeiten in Erstaunen versetzt hat. Aus ihrer Schöpferkraft heraus haben sie jene Wundertaten vollbracht, die noch heute für viele Menschen rätselhaft und unglaublich erscheinen, da die Wissenschaft die Gesetze solcher Phänomene noch nicht kennt. Und durch ihre Selbstbeherrschung haben sie jene göttliche Macht der Entsagung, der Bedürfnislosigkeit, der Erhabenheit und der Freiheit erworben, welche die gewaltigsten Herrscher und Machthaber ihrer Zeit zwangen, zu ihren Füßen zu knien.«

 Das erstmals in den 30er Jahren aufgelegte Buch vermittelt Legenden, Sprüche und Lebensläufe der islamischen Mystiker, deren Wirken Dichter und Denker nicht nur der orientalischen Welt beflügelte und zu einem wesentlichen Bezugs-punkt des Islam im Vorderen Orient, Iran und Zentralasiens wurde.Der Herausgeber will vor allem dem europäischen Publikum die Entstehung und das Wesen des Sufismus nahebringen.



Mevlana Dschelaleddin Rumi
Das Meer des Herzens geht in tausend Wogen
Aus dem Persischen von Friedrich Rückert mit Kalligraphien von Thomas Steinbach
104 S., geb., € 22,00
978-3-935597-23-4
Der persische Mystiker Mevlana Dschelaleddin Rumi (1207 – 1273) war einer der bedeutendsten Dichter seiner Zeit. Seine Lehre sah die Liebe als Hauptkraft des Universums und das Universum als ein harmonisches Ganzes. Gott durch Liebe näherzukommen ist der Weg zu wahrer Erfüllung. In der Liebe zu den Menschen manifestiert sich die Liebe zu Gott. Das erotische Moment verschmilzt mit dem metaphysischen. Die Schönheit seiner Verse sichert ihm über seine religiöse Lehre hinaus einen festen Platz in der Weltkultur.
Dem Dichter und Begründer der deutschen Orientalistik Friedrich Rückert (1788 – 1866) gebührt das Verdienst, die Verse Rumis nicht nur in eine poetische Sprache übertragen, sondern dabei auch die Vielschichtigkeit und Vieldeutigkeit des Originals ins Deutsche übernommen zu haben.




Ivan Gogolev
Das Dritte Auge.
Drei Leben einer Seele
[Literatur aus Sibirien]
Aus dem russ. von Walerija Weiser
240 Seiten, frz. brosch., € 12,00
978-3-935597-43-2
"Ist das eine erhabene Legende oder die grausame Wahrheit?
Niemand weiß es zu sagen. Die zahllosen verflogenen Jahre, die
geheimnisvoll dröhnend in den Tiefen des Himmels verhallt
sind, schweigen darüber. Die finstere Felsinsel, die stolz über
dem rauschenden Wasser aufragt, weit, weit weg von hier,
dort wo der lebensspendende Fluß Lena ins eisige Polarmeer
mündet — sie allein mag es wissen, doch sie wahrt das heilige
Geheimnis unerschütterlich...
Doch es kommt eine Zeit, da sich der Nebel lichtet und die
unverdient vergessenen Schatten wieder auferstehen.
Das Geheime wird offenbar. Die Zeit istgekommen, den lebenden
Zweibeinern davon zu berichten, jenen, die alles sehen, alles wissen
und verstehen wollen..."
Das  Roman-Poem ist das nachgelassene Werk des jakutischen Schriftstellers Ivan Gogolev. Es ist eine moderne Adaption zahlloser Legenden und Mythen der ostsibirischen Sacha, des östlichsten Türkvolkes.

In drei Teilen erzählt der Roman von der legendären Schamanin Kyrasa
und ihrer Suche nach neuer Heimat. Der weiße Schamane Baryylaach
und seine kleine Tochter Kyrasa fliehen vor dem Schwarzen Tod in den
unwirtlichen Norden. Als der Vater im Kampf mit dem Bärengeist ge-
tötet wird, muß sie allein in der Wildnis überleben. In der Begegnung
mit Menschen, Tieren und mythischen Wesen erkennt sie ihre Bestim-
mung als Schamanin. Kyrasa trifft auf den altgläubigen Mönch Foma,
dem sie in Liebe folgt und muß erleben, wie ihr Volk von den Steuer-
eintreibem des Zaren gedemütigt und ausgeplündert wird.
Ihr zweites Leben ist eine Parabel auf den Zusammenstoß zwischen in-
digenen Völkern und europäischen Eroberern. Kyrasa versucht als Phi-
losoph und Lehrer in einem mythischen Land die Ihren gegen die gold-
gierigen Eindringlinge zu führen.
Im drittem Leben ist sie Tochter armer jakutischer Bauern. Ihre Mutter
stirbt bei der Geburt, ihr Vater wird verhaftet. Kyrasa schlägt sich bis ins
Jakutsk der späten Stalinzeit durch, gerät in kriminelle Machenschaften
und landet im Gefängnis...
Von all dem erzählt sie den staunenden Zuhören am Ufer des Flusses,
dessen Wellen den gespaltenen Berg umtosen. Gogolev stellt die Frage,
wie zwei Kulturen friedlich und in gegenseitigem Respekt miteinander
leben und voneinander lernen können.

Ivan Gogolev-Kyndyl wurde 1930 als Sohn einer Lehrerfamilie in Vtlüj geboren. Nach seinem Studium am
Gorki-Literaturinstitut in Moskau war er ab 1954 für einige Jahre Redakteur heim Jakutischen Buchverlag,
später Lehrer für jakutische Sprache und Literatur an der Abendschule für werktätige Jugendliche in Po-
krovsk; sein Lehen widmete er seinem künstlerischen Schaffen.
Als 18-jähriger veröffentlichte Gogolev seine ersten Gedichte und schrieb von da an Werke in allen literari-
schen Genres. Seine Gedichte, Dramen, Romane und Libretti in jakutischer und russischer Sprache füllen
mehr als 50 Bücher. Von ihm geschaffene Lieder hielten Einzug in die jakutische Populärkultur. Nach
schwerer Krankheit starb Ivan Gogolev am 22. November 1998. Der vielfach ausgezeichnete Schrifftsteller
wurde unter großer öffentlicher Anteilnahme mit einem Staatsakt zu Grabe getragen.



Elke Windisch:
Zentralasien -Politische Reisereportagen
Afghanistan /Kasachstan /Kyrgystan /Tadschikystan /Turkmenistan /Usbekistan
2. überarbeitete Auflage
300 Seiten, frz. Br., € 18,80
978-3-935597-80-7
Immer noch sind die fundierten Informationen aus dem politischen und geografischen Raum zwischen Iran, Kaukasus bis zum Hindukusch spärlich gesät. Elke Windisch gehört zu den wenigen Berichterstattern, die nicht nur in der Lage sind, sich ohne Dolmetscher mit den Menschen in der Region zu verständigen und überzeugende politische Analysen zu liefern. Sie hat auch einen mitfühlenden Blick für die Opfer repressiver Regimes und einer scheinheiligen Politik des Westens. Allein oder mit ihrem Filmteam unternahm sie seit über 10 Jahren zahlreiche abenteuerliche Reisen durch die ehemaligen Sowjetrepubliken und Afghanistan. Die »rasende Reporterin« porträtiert mutige Frauen in Turkmenistan, moderne Piraten am Kaspischen Meer, islamische Untergrundkämpfer und afghanische Kriegsfürsten, Fischer am sterbenden Aralsee, Schatzsucher, deutsche Entwicklungshelfer und tadschikische Flüchtlinge im Kugelhagel zwischen den Fronten. Eingebettet sind die Geschichten in die Geschichte von den frühen Völkerwanderungen, den Eroberungen Alexander von Mazedoniens und der Araber, der Lehre Zarathustras und dem Kampf um soziale Gerechtigkeit, russischer und britischer Kolonialpolitik bis zu dem Machtgerangel zwischen den USA, Russland und der EU um Einflußsphären und Rohstoffe und nicht zuletzt den unbeherrschbaren »War on Terror«. Wer einen verständlichen und spannend geschriebenen Überblick über die Geschichte und Gegenwart der zentralasiatischen Länder bekommen möchte, ist mit Elke Windischs Reportagen bestens bedient.

INHALTSVERZEICHNIS:
Prolog
 

Teil I: Anahita, Ahura Mazda und Allah – der unerfüllte Traum von sozialer Gerechtigkeit
Die Akte Zarathustra
Die Achämeniden
Götterdämmerung im Lichtreich
Hyperborea: Das Land über dem Schneesturm
Grenzübergang »Freundschaft«
 

Teil II: Blaue Kuppeln und goldene Paradiesvögel - Im Land der tausend Städte
Buchara: Kalifen, Khane, Kaiser
»Ich schminke keine Leichen«
Alischers Paradiesvögel
Weiße Jurten und roter Sand
 

Teil III: Dornenpfad in die Moderne
Zurück in die Zukunft – nationale Emanzipation und historische Kontinuität
 

Teil IV: Königspoker am Meer der Chasaren – Energie
Es muss immer Kaviar sein
Hazar denizi – Das türkische Meer
Die Tankstelle der Zukunft
 

Teil V: Die Tränen Anahitas – Wasser
Tochtogul – Kirgisiens Rungholt
Teniz – die Wiedergeburt eines Meeres
Ein selten dämlicher Hund
Der weiße Fluch Choresmiens
Zeitbombe Karakalpakistan
Anahitas Rache
Hoffnung für Doschyak
 

Teil VI: Islamisten auf dem Vormarsch
Trommeln und Kalaschnikows
Auge um Auge, Zahn um Zahn
Eine typisch afghanische Biografie
Pulverfass Fergana-Tal
Schwarzer Tee hat mehr Kalorien
Das böse Erbe der Gottkönige
 

Teil VII: Schachroch am Hindukusch
Warten auf den Tod
Der kalte Frieden
Schnitt für Kabul
Heimkehr in ein fremdes Land
Bemetrinasa
Roter Mohn
Wild Card Playing
 

Teil VIII: Die unvollendete Revolution
Politische Physik
Die Nacht der langen Messer
Rosa Schnee
 

Epilog
Karten
Zeittafel
Personen- und Ortsregister




Kirkor Ceyhan
Ein Klopfen an der Tür
148 S., Br., € 18,00
978-3-935597-81-4
2015 jährt sich zum 100. Mal der Völkermord an den osmanischen Armeniern. Nicht nur für unseren Autor und seine Familie, für Tausende von Armeniern begann vor hundert Jahren ein unfassbarer Leidensweg in die Wüsten Syriens. Der erste Weltkrieg tobte in Europa. Verzweifelt kämpfte das Osmanische Reich einen Mehrfrontenkrieg und befand sich in Auflösung. Nachdem armenische Milizen begonnen hatten, an der Seite der Russischen Armee gegen die Osmanen zu kämpfen, ordnete die Regierung die ethnische Säuberung des Landes an – alle Armenier sollten aus dem Kernland deportiert werden. Der Bausoldat Simon, der Vater von Kirkor Ceyhan, und seine Familie entgingen diesem Schicksal zunächst, indem sie zum Islam konvertierten.
Eines Tages klopfte es dennoch an der Tür. Man hatte Simon denunziert, weil er Flüchtlinge bei sich versteckte, und schickte ihn mit seiner Familie auf den Weg nach Deir ezZor. Für Kirkor wurde dieses Klopfen an der Tür zum Sinnbild für das Leiden der türkischen Armenier. Kirkor Ceyhan, geboren 1926 in Zara, schreibt in einem Brief an eine befreundete armenisch-türkische Autorin: »Mein Leben ist umrankt von unglaublichen Abenteuern. Hätte ein anderer Adamssohn nur ein einziges davon erlebt, hätte es ihm das Rückgrat gebrochen und er wäre diesem Wahnsinn unrettbar zum Opfer gefallen. Ich aber beschreibe die Ranken als Schmuck.« In diesem Sinne hat er aus den Erzählungen seiner Familie einen halbdokumentarischen Roman geschaffen. Mit Empathie und einer gehörigen Portion Galgenhumor erzählt Kirkor Ceyhan die Abenteuer der Familie auf ihrem Leidensweg. Er wurde damit zum Vorbild für eine ganze Generation türkisch-armenischer Schriftsteller bei der Verarbeitung der lange verdrängten traumatischen Ereignisse. Kirkor vermeidet nationalistische Zuschreibungen und hält mit seinem Roman ein Plädoyer für individuelle Verantwortung und Moral, gerade auch in Zeiten des Krieges. REZENSION
Die Liebesgedichte des Klassikers der modernen türkischen Lyrik in Neuauflage:


Hikmet, Nâzim :
Das schönste Meer ist das noch nicht befahrene
Gedichte [zweisprachig] Aus dem Türkischen von Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli
244 S., geb., € 19,90
978-3-935597-21-0
»Ich liebe dich, wie man Brot in Salz taucht und ißt,
wie ich den Mund an den Wasserhahn presse, um zu trinken,
         wenn ich nachts im Fieber erwache,
wie man ein schweres Paket mit unbekanntem Absender
        hastig, freudig erregt und argwöhnisch öffnet,
so liebe ich dich, als flöge ich zum ersten Mal im Flugzeug
                     über das Meer,
    .     so liebe ich dich, wie das sanft
in der Dunkelheit versinkende Istanbul,
.............das mein Innerstes rührt, so liebe ich dich,
        ..........Als wollte ich sagen: ›Gottlob, wir leben!‹
So liebe ich dich.«


Die aufrührerische Lyrik des Klassikers der modernen türkischen Lyrik in Neuauflage:

Nâzim Hikmet [zwspr]:
Die Luft ist schwer wie Blei
268 S., geb., € 19,90
978-3-935597-19-7
Die Sammlung umfasst vor allem die politischen Gedichte: Protagonisten des Kampfes gegen Unterdrückung, Fremdherrschaft und soziales Unrecht sind nicht die großen Männer, die »Geschichte machen«, sondern die chinesischen Kuli, die Republikaner in Spanien, japanische Kinder, deutsche Pfarrer und türkische Bauern.
 
Willkommen Baby,
       du bist zu leben an der Reihe,
dir lauern Diphterie auf, Keuchhusten, Schwarze Pocken,
.............Malaria, Tuberkoluse, Krebs und dergleichen mehr,
...... Arbeitslosigkeit, Hunger und dergleichen mehr,
ein Zug-, Bus-, Flugzeug-, Arbeitsunfall, Erdbeben,
.................Überschwemmung, Dürre und dergleichen mehr,
Schwermut, Trunksucht und dergleichen mehr,
.............Polizeiknüppel, Gefängnistor und dergleichen mehr,
....dir lauern die Atombombe auf und dergleichen mehr.
Willkommen, Baby,
   ...............   du bist zu leben an der Reihe;
dir lauern der Sozialismus auf, der Kommunismus und
dergleichen mehr

Hikmet mit S. Hermlin beim 3. Schriftstellerkongress der DDR
Die späten Exil-Gedichte des Klassikers der modernen türkischen Lyrik in Neuauflage:

Nâzim Hikmet
Eine Reise ohne Rückkehr
Gedichte [zweisprachig] aus dem Türkischen von Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli
280 S., geb., € 19,90
978-3-935597-20-3
Das Leben ist eine Reise, in jeder Stätte ist Heimat. Die späte Lyrik Hikmets widerspiegelt seine Begeisterung über fremde Länder, vermischt mit der Ahnung des Todes und der Sehnsucht nach der verlorenen Heimat Türkei.
Welche Stadt gleicht dem Wein?
Paris.
du trinkst das erste Glas,
es schmeckt herb,
das zweite steigt dir zu Kopf,
beim dritten kommst du nicht mehr vom Tisch hoch,
Ober, noch eine Flasche!
Und schließlich, wo du auch bist, wohin du auch gehst,
bist du ein Trunkenbold aus Paris, mein Augapfel.
Welche Stadt
ist schön selbst im Dauerregen?

Paris…

Hikmets Sohn, in welcher Stadt möchtest du sterben?

In Istanbul,
Moskau
und in Paris…




Orhan Veli Kanik
Fremdartig
zweisprachig: Gedichte, aus dem Türkischen von Yüksel Pazarkaya
Neuauflage
260 S., geb., € 19,90
978-3-935597-22-7
Das brodelnde Leben der Metropole Istanbul und mittendrin der traurige, der spöttische, der immer verliebte Bohémien und Nachtschwärmer Orhan Veli Kanik: ein aufmerksamer Beobachter und Zettelschreiber. Von 1949 bis 1950 gab er das literarische Blatt »Yaprak« heraus. Er und seine Freunde nannten sich die »Fremdartigen« und revolutionierten durch ihren lakonischen wie bissigen Stil die türkische Poesie. Orhan Veli, den Nâzim Hikmet einst seinen »kleinen Bruder mit dem löchrigen Herzen« nannte, wurde 1914 in Istanbul geboren und verstarb dort 1950 an den Folgen einer Gehirnblutung. Seine Gedichte sind jedoch bis heute populär und bestechen durch ihren Witz.

Birsen Coskun-Öztürk
Baustelle Istanbul
Stadterneuerung, Sanierung, Gentrifizierung im Stadtteil Beyoglu
200 S., zahlr.Abb., geb., € 22,00
978-3-935597-88-3
Seit etlichen Jahren ist auch die Metropole Istanbul von dem weltweit zu beobachtenden Trend zu Stadtumbau und Gentrifizierung erfasst. Insbesondere die historischen Stadtteile erleben einen Bauboom, der wenig Rücksicht auf gewachsene Strukturen und die Bedürfnisse der derzeitigen Bewohner nimmt. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen um die Räumung des Gezi-Parks im Bezirk Beyoglu 2013 warfen ein Schlaglicht auf die Probleme, die die kommerzielle Verwertung städtischen Innenraums hervorbringt. Die Stadtplanerin und Architektin Birsen Coskun-Öztürk hat lange in dem Viertel am Bosporus recherchiert und die Stadterneuerungsmaßnahmen und den Umgang mit der historischen Bausubstanz kritisch begleitet. Exemplarisch werden zwei aufgewertete Bauobjekte beschrieben, die Auswirkungen einer städtischen Politik, die auf Abriss ganzer Straßenzüge und Umsiedlung ärmerer Bevölkerungsschichten in Betonviertel setzt. Die Autorin macht Vorschläge für eine soziale und nachhaltige Stadtentwicklung, die der Monotonisierung und Gentrifizierung Istanbuls entgegenwirkt.

Zafer Senocak
Der Pavillon
Roman, aus dem Türkischen von Helga Dagyeli-Bohne und Yildirim Dagyeli
180 S., Gb., € 14,50
978-3-935597-75-3
Hamit ist ein Junge mit besonderen Fähigkeiten. Er hat ein feines Gehör und hört Geräusche, die normalerweise nicht zu hören sind. Er beginnt ein Musikstudium in München und spezialisiert sich auf Neue Musik. Im Frühjahr 1960 geht er mit seiner Freundin Hilde nach Istanbul. Dort soll er seinem Bruder helfen, der auf dem Gelände eines alten osmanischen Landschlosses eine Imkerei betreibt und den Auftrag bekommen hat, das Honiggeschäft, das die Familie seit jeher betreibt, landesweit zu modernisieren und zu organisieren. Hamit, im Gegensatz zu seinem Bruder kein gläubiger Mann, erfährt, dass das Landschloss der Sommersitz des letzten Khalifen Abdul Mecid Efendi war—einem Maler und musischen Mensch. Doch die Muslime der Gegenwart, die im Umkreis des Hauses leben, sind alles andere als musisch. Sie sind bigott und mißtrauisch. Die Geschichte spielt in einer Nacht an drei verschiedenen Orten. Das Militär hat geputscht, Hilde hat das Land verlassen und der Bruder befindet sich auf Geschäftsreise in Anatolien. Hamit ist allein in dem alten Pavillon. In einer Art Traum erscheint ihm der mumifizierte Leichnam des letzten Khalifen auf seinem Bett. In einem anderen Haus übt ein Geiger, der zwischen seinen musischen Interessen und seinem Glauben hin und her gerissen ist. Dritter Schauplatz ist ein verlassenes Kloster außerhalb der Stadt, in dem sich der Gärtner des Landschlosses vor den Sicherheitskräften versteckt. Das Buch ist eine Auseinandersetzung mit einer problematischen Modernisierungsgeschichte, die viele heute wieder aktuelle Fragen aufgeworfen hat: nach Glauben und Zugehörigkeit, Verhältnis zur Geschichte, Nationalgefühl. Spürbar wird eine Sehnsucht nach Spiritualität, die jedoch von einer formalisierten, ritualisierten Religion nicht mehr aufgefangen wird. Die kulturelle Verwahrlosung auf der einen Seite, die bruchstückhafte Erinnerung an die Tradition auf der anderen schaffen eine angespannte Atmosphäre. Senocak bedient sich unterschiedlicher Sprachebenen und verbindet eine dokumentarische Erzählweise mit einer poetischen und philosophischen Sprache. Dabei erzählt er eine spannende, ungewöhnliche Geschichte, die die Leser bis zum Schluß fesselt.


Metin Kacan
Haselnuss 8
Roman
220 S., Gb., €18,80
978-3-935597-69-2
Käptn Meto auf Kaperfahrt durch den Ozean Istanbul.
Käptn Meto, Herr der schicken Wagen, Bändiger der 8-Zylinder, strandet in der harten Realität. Seine ewige Liebe weist ihn zurück. Meto verweigert sich der selbstzerstörerischen Beziehung zu Sevda, der reichen, verwöhnten Frau aus dem morbiden Istanbuler Großbürgertum, der Kokskönigin. Sevda rächt sich an ihrem Spielzeug. Käptn Meto, der Herzensbrecher, findet sich wieder im Knast. Seine wilden Phantasien sublimieren sich zu sufischer Gottesliebe.
Und draußen vor dem Gefängnistor wartet der rotweiße Malibu. Fahr los!

In »Haselnuss 8« feiert Metin Kacan das Scheitern. Tragik und Komik sind ein bizarres Zwillingspaar.
Die Sinnsuche in einer zerfallenden uesellschaft, der Wahnwitz der Postmoderne, die Paranoia des Bürgertums, diese Lektüre feit gegen die Untergangsszenarien konservativer Apologeten. Der Orient schlägt zurück. Türkischer Metrobeat und überdimensionierte amerikanische Benzinkutschen tanzen auf den Straßen des wuchernden Molochs Istanbul. Metin Kacan lacht den jammerlappigen Kulturpessimisten ins Gesicht. Punkrock vom Feinsten. Besser kann das Lebensgefühl des Istanbuler Prekariats nicht beschrieben werden.

Es war eine Clique,
bei der jeder den anderen
bis hin zu den Dreckflecken
auf der Unterwäsche, bis hin zu
deren Marke und Design kannte,
man sich aber Dritten gegen
über nichts anmerken ließ.
Der Name des allgemeinen
moralischen Verfall
der Vergiftung der sozialen
Beziehungen und der seelischen
Angeknackstheit war
Unabhängigkeit oder Freiheit.
Jeder Begriff wurde
vcrkehrtherum verstanden.
Auch absichtliche Verdrehungen
kamen vor. Aber die in die Luft
steigenden und im leeren Raum
miteinander anstoßenden Gläser
und die wie Zwillingsbabys
gewickelten Zigaretten
machten, daß niemand von
derartigen horizontalen
Übergängen Notiz nahm.

Metin Kacanwurde (15 November 1961 – 6 January 2013) Schon 1961 zog die Familie nach Istanbul, wo der Vater einen Friseurladen eröffnete. Kacan arbeitete als Autoschlosser, Zimmermann und Blechschmied und gründete mit 16 Jahren seine eigene Gang. Sein erster Roman Cholera Blues (im Original "Agir Roma") erschien 1990 und avancierte in der Türkei zum Bestseller.





Metin Kacan:
Cholera Blues
Roman aus Istanbul,
160 S.,  Br., €  14,50
978-3-935597-38-8
In einem der heruntergekommenen alten Istanbuler Viertel zu Beginn der 70er Jahre wächst der mutige, aber willensschwache Salih, Sohn des Friseur Ali auf. Während sein älterer Bruder Reco sich in die Welt der Comicromane flüchtet und sich als Zeichner dem Gott des Gekichers verpachtet, ist Salih fasziniert von der Eleganz und Coolness des Gangstertums. Als der Beschützer des Viertels, der ehrenwerte Arap Sado, von den »Krebstypen«, der neuen Mafia, die das Viertel unter ihre Kontrolle bringen will, ermordet wird, beschließt Salih, dessen Erbe anzutreten. Indes er seinem Ziel, Mythos der Straße zu werden, immer näher kommt und zudem bei der Edelprostituierten Tina landen kann, bahnt sich eine Familientragödie an. Selbst daß er das Monster von Cholera schnappen kann, bewahrt ihn nicht vor der Verzweiflung über seine drittklassige Rolle in einem Spiel ohne Hoffnung. Salihs Laufbahn in der Welt der Dealer, Mörder und Falschspieler mündet in eine Katastrophe.

Der autobiographische Roman löste in den neunziger Jahren in der Türkei einen Boom aus – verfilmt und in Musik umgesetzt, neunmal aufgelegt – schildert er das Leben in Istanbuls Innenstadtviertel Cholera.

Cumhuriyet:»Mit dem Titel ›Cholera Blues‹ erinnert Kaçan einerseits an die (türkische) Literatur, andererseits an die leidenschaftlichen Melodien der Roma. Dieses Buch, ganz und gar im Slang geschrieben, das selbst der Normalleser mit großer Leichtigkeit liest, macht uns mit ›Menschen außerhalb des Bauches‹ der Metropole bekannt. Armenier, Griechen, Juden, Zuwanderer aus Anatolien, die bunt zusammengewürfelte Gesellschaft mit ihren Gesetzen der Subkultur führt ein illegales Leben. Kaçan verstand es, mit einer illegalen Sprache, dem Slang, ein vollständiges Tableau zu zeichnen.«
Metin Kaçan wurde 1961 in Kayseri geboren. Im gleichen Jahr zog die Familie nach Istanbul, wo der Vater einen Friseurladen eröffnete. Kaçan arbeitete als Autoschlosser, Zimmermann und Blechschmied und gründete im Alter von 16 Jahren seine eigene Gang. Nachdem die letzten Mitglieder der Gang getötet wurden, begann er mit dem Schreiben. 1988 gab er mit Kurzgeschichten in der Zeitschrift »Mizah« sein literarisches Debüt. Sein erster Roman »Cholera Blues« (im Original »Agir Roman«) erschien 1990 und avancierte in der Türkei zum Bestseller. 1995 schrieb er das Drehbuch zu »Agir Roman«, der Film kam 1997 in die Kinos. Gemeinsam mit Kemal Aratan gab er »Istedikleri Yere Gidenler« Erzählungen von Straßenkindern über ihr Leben heraus. 1997 veröffentlichte er »Findik Sekiz« und 1999 »Harman Kaplan«. 2002 erschien der Erzählband »Adalara Vapur«. Metin Kaçan hat am 6.1.13 sein Leben beendet.


Anna Farouqi :
Weltreiche erblühten und fielen
650 Jahre Geschichte Rixdorfs und Neuköllns
Der Neukölln-Comic
Herausgegeben von Dr. Dorothea Kolland
120 S., Br., € 9,50
 978-3-935597-82-1

Rezension:
http://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/weltreise-durch-neukoelln/1862552.html



Yorgos Valasiadis
Und über Tatavla fällt Schnee
 200 S., Gb., € 14,80
978-3-935597-71-5
Eine Zeitreise in die Stadt am Bosporus, die vor Jahrhunderten Konstantinopel hieß – das kosmopolitische Istanbul. Der autobiographische Roman des Istanbuler Rum, so heißt die griechischsprachige Minderheit, Yorgos Valasiadis, entführt uns in die Welt seiner Kindheit und Jugend, die Gassen von Tatavla der 1950/60er Jahre. Zwischen Rebellion und Rock’n Roll stellt er uns seine Familie, Freunde und Nachbarschaft vor: Vater Yannis, der in Uniform wie eine Vogelscheuche aussah und den Offiziersfrauen Pantoffeln a la Hollywood anfertigen musste, Großvater Kostas, der im Suff eine Polizeiwache überfiel, Patenonkel Antiochos, in dessen Lokal Atatürk ein- und ausging, die resolute Urgroßmutter Sultana, die das Brot für die Familie mit einer vorgetäuschten Schwangerschaft ergattert, den Schulfreund Restis, der den gestrengen Lehrer im Bordell erwischt, die jüdische Tante Rebecca, deren Bruder von deutschen Agenten während des Krieges ermordet wurde, Fischer, Wahrsager, Wasserträger… Mit einer an Aziz Nesin gemahnenden Schalkhaftigkeit und geradezu übersprudelnden Erzählfreude berichtet Yorgos Valasiadis vom Leben der Minderheit, von Migration und Integration und von der Schönheit des Lebens.
Yorgos Valasiadis, 1940 in Istanbul geboren, absolvierte 1960 das Zografion Gymnasium. Nach seinem Wehrdienst als Leutnant in der türkischen Armee, heiratet er und emigrierte 1965 nach Deutschland, wo er ein Fachhochschulstudium als Außenhandelswirt abschloss. Seit 1975 ist er deutscher Staatsbürger, lebt In Frankfurt/ Main und arbeitet für eine internationale Institution. Nebenbei lehrt er Iaido – die japanische Samuraischwertkunst, verfasst Haikus und schreibt Geschichten in griechischer, türkischer und deutscher Sprache. Seine Erzählungen erschienen in verschiedenen Anthologien, sein letzter Roman wurde zeitgleich in griechischer und türkischer Sprache publiziert.

»Kasachische Bibliothek«
Lassen Sie sich in eine faszinierende Welt
zwischen Nomadentum und Moderne entführen.
Kasachstan – das neuntgrößte Land der Erde im Herzen des eurasischen Kontinents scheint auf der geopolitischen wie literarischen Landkarte immer noch ein weißer Fleck. Und doch war Kasachstan ein Zentrum uralter Zivilisationen. Hier siedelten die Skythen, die das Pferd nach Ägypten und Europa brachten. Byzanz, Bagdad und die Rus schickten ihre Gesandschaften nach Otrar, der Hauptstadt des Kiptschakenreiches, die eine der größten Bibliotheken des Mittelalters beherbergte. Der Reichtum der Seidenstraßenmetropolen lockte die Heere des Chingis Khan an. Zahllos sind die Völker, die in den unendlichen Steppen und den hohen Bergen eine unvergleichliche Kultur hervorbrachten. Zahllos sind auch die Lieder und Legenden. Das Wort des Sängers galt stärker als das Schwert.
Seit dem 19. Jahrhundert Bestandteil des Russischen Imperiums, wurden in Kasachstan die Armeen Koltschaks und der britischen Invasoren geschlagen. Das Land war in der Stalinära ein Verbannungsort für Ungarn, Wolgadeutsche, Koreaner, Polen und Tschetschenen. Vielen von ihnen rettete die Gastfreundschaft der Kasachen in der rauhen Steppe das Leben.
Die »Kasachische Bibliothek« wird fortgesetzt:
.................................................zurück nach oben
Berge, Steppe, Menschen, Vögel, Lieder. Eine populäre Stimme der kasachischen Dichtung. Lyrisch und wortgewaltig

Mukaghali Makatayev
Berge sind Legende
Gedichte, zweisprachig mit einem Nachwort von Mario Pschera
Aus dem Russ. von Walerija Weiser und Mario Pschera
200 S., geb., € 14,50
978-3-935597-52-4
Der kasachische Lyriker Mukaghali Makatayev (1931 – 1976) war zu Lebzeiten bekannt – berühmt wurde er nach seinem frühen Tod. Da waren schon Dutzende seiner Gedichte vertont und die ersten Bände veröffentlicht und übersetzt.
Stilistisch waren seine Gedichte und Poeme an Dante, Trakl, Rimbaud und Jessenin orientiert, sie griffen die Verlorenheit der Kriegskinder auf, huldigten einer überwältigenden Natur oder sinnierten über die Kleinheit menschlicher Existenz. Makatayev spottete über die Eitelkeit der Dichter und nahm sich selbst nicht davon aus. Selbst seiner Krankheit und dem nahenden Tod konnte er noch eine satirische Seite abgewinnen. Heute zählt er zu den populärsten Dichtern Kasachstans.

Mukaghali Makatayev (1931-1976)

Abdishamil Nurpeissow
Der sterbende See
»Kasachische Bibliothek«
Roman, Aus dem Russischen von Annelore Nitschke
ca. 580 Seiten, gebunden, € 29,90
978-3-935597-47-0
Der Roman des 1924 geborenen Abidshamil Nurpeissow nimmt die Tragödie des Aralsees zum Anlaß, über das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt zu sprechen, über Verantwortung und Schuld. Zwei Freunde aus Jugendtagen, Shadiger und Asim verlieben sich in die selbe Frau. Während Asim Bakisat verläßt und Karriere als Wissenschaftler macht, verzweifelt Shadiger am Verschwinden des Sees. Er beginnt, gegen den Fortschrittsglauben der Oberen zu rebellieren. Sein Widersacher ist ausgerechnet der aalglatte Asim, der zudem ein Verhältnis mit seiner alten Liebe, Shadigers Frau Bakisat beginnt. Die Dorfbewohner drängen Shadiger seine Ehre wiederherzustellen. Doch für Shadiger ist dieser Kampf längst ein Kampf um die Existenz seines Volkes geworden. In einer stürmischen Winternacht kommt es auf dem Eis des Aralsees zum Showdown.
Die ökologische Katastrophe des Aralsees ist das beherrschende Thema der mittelasiatischen Republiken und damit auch des populären Abdishamil Nurpeissow, dessen Werke seit den 70ern u.a. im Verlag »Volk und Welt« in deutscher Sprache publiziert wurden. Bereits in den 80er Jahren erschien ein von der Zensur beschnittenes Fragment des Romans. Das Thema ließ den Autor jedoch nicht los. Mehrfach ergänzte er den Text um Passagen, schärft seine Aussagen. Immer kompromißloser klagt Nurpeissow Karrierismus, Scheinheiligkeit und blinden Fortschrittsglauben an. Die letzte aktualisierte Fassung erschien 2005 in der Republik Kasachstan. Eine Verfilmung wird derzeit vorbereitet. Nurpeissows Roman gewinnt so Vorbildwirkung für eine engagierte Literatur gegen den banalisierenden Zeitgeist, in einer Welt, in der Profitstreben und Gleichgültigkeit die Grundlagen unserer Existenz bedrohen.

Olshas Sülejmenow
Eine Minute Schweigen am Rande der Welt
»Kasachische Bibliothek«
Gedichte zweisprachig
Aus dem Russischen von Walerija Weiser
200 S., Gb., € 18,80
978-3-935597-51-7
1936 in Alma-Ata geboren, veröffentlicht der studierte Linguist Süleymenov seit 1958 Gedichte, Essays und Aufsätze. Seinen künstlerischen Durchbruch erlangte er in der “Tauwetterperiode” mit der Feier des menschlichen Fortschritts – es war die Zeit des Gagarinfluges und der Technikbegeisterung — und öffentlichen Lesungen in Moskau, Paris und New York, die eher Popkonzerten glichen. Süleymenov war gemeinsam mit seinen Freunden Andrej Wosnessenskij, Jewgeni Jewtuschenko und Alan Ginsburg Teil jener legendären Beatnik-Generation, die die Schranken der bürgerlichen Gesellschaft in Ost und West durchbrach und sich wenig um die Feindbilder des Kalten Krieges scherte. Diese bereitete popkulturellen Phänomene wie die Hippiekultur vor, die Militarismus und Staatshörigkeit strikt ablehnte. Weniger bekannt ist, daß diese Jugendbewegung auch in der Sowjetunion Fuß faßte, wenn auch von der Staatsmacht argwöhnisch beäugt. Texte der genannten Poeten wurden vertont und bildeten den Grundstoff für das Schaffen von Legionen von Liedermachern wie Wladimir Wyssotzkij und Rockbands wie Nautilus Pompilius. Noch heute werden die Gedichte Süleymenovs in unzähligen Internetforen zitiert und kommentiert. 1975 verursachte Oljas Süleymenov mit seinem Essay “AzIJa” (Asien/Ich und Ich) einen Skandal, in dem er die rassistischen und kolonialistischen Konnotationen des großrussischen “Igorliedes” linguistisch und literaturhistorisch bloßlegte. Nur seine internationale Popularität und die Fürsprache einiger weniger einflussreicher Förderer bewahrte ihn vor ernsteren Konsequenzen. In den 1980er Jahren engagierte sich Süleymenov für die Bürgerrechte und in der Anti-Atom-Bewegung “Nevada - Semipalatinsk”. Die Gedichte Süleymenovs sind von einer vertrackten Vielschichtigkeit. Auf Russisch geschrieben, nehmen sie Worte und Bedeutungen aus den neueren und alten Türksprachen, dem Arabischen und Hebräischen auf, adaptieren und verformen sie zu einer Weltsprache, die dem Kosmopolitismus Süleymenovs eignet. Wenn Scholem Alejchem zum Salam Alejkum wird – tatsächlich sind die Worte gleichbedeutend – offenbart sich im Gedicht die Absurdität des israelisch-palästinensischen Konfliktes. Das Denkmal für Kolumbus provoziert die Frage nach Blumen für Hitler. Die Helden des kasachischen Epos rettet nur das Wort, das “agit”, die Totenklage schenkt Leben. Die “asiatische Lethargie” wird mit dem Utilitarismus der Kolonisatoren konfrontiert. In knapper, oft freirythmischer Form verkörpern die Verse Süleymenovs eine Synthesis der Weltkulturen, das Gegenwärtige im Geschichtlichen. Gnadenlos zerlegt er die süßliche Romantik der stilisierten Boheme. “Ein Pony ist ein mißverstandenes Pferd.” Selbst scheinbar idyllische Naturbilder wenden sich in eine Abrechnung mit menschlichen Grausamkeiten und Überhebungen. Ironie und Tragik sind stets im Wechselspiel begriffen. Dieser Dichter hat etwas zu sagen. Für nationalistische Vereinnahmungen eignet sich der kasachische Dichter nicht. Aber sollte je eine nichteurozentristische Geschichte der Lyrik des 20. Jahrhunderts geschrieben werden, wird man an Oljas Süleymenov nicht vorbeikommen.


Muchtar Auesow
Aufstand der Sanftmütigen
»Kasachische Bibliothek« Erzählung, Aus dem Russischen von Eckhard Thiele
200 Seiten, gebunden, € 14,90
978-3-935597-48-7
1916 brodelt es im zaristischen Mittelasien. Der Zar hat, entgegen seiner Verpflichtungen, Befehl gegeben, junge Kasachen zum Kriegsdienst in der Etappe einzuziehen. Nach den alltäglichen Demütigungen, Landraub und Bevormundung bringt dieser Tropfen das Faß zum Überlaufen. Selbst der für seine Sanftmut gerühmte Stamm der Albaner wird von der Empörung erfaßt. Der quirlige Marktplatz im Karkaratal im Grenzgebiet zu Kyrgyzstan und China, auf dem Nomaden, Bauern und Händler aller Regionen aufeinandertreffen, wird zum Umschlagplatz von Neuigkeiten und wachsendem Unmut. Die Nomaden formieren sich zum Widerstand. Tausende von Reitern brechen gegen die zaristischen Obrigkeit und ihre Handlanger, die reichen Beis auf. Der Aufstand jedoch wird niedergeschlagen und die Aufständischen, die das folgende Blutbad überlebt haben, packen ihre Jurten und ihren Besitz zusammen und fliehen ins Ungewisse. Der Marktplatz bleibt verlassen zurück.
Muhtar Auesow wurde 1897 in eine kasachische Nomadenfamilie im Gebiet Semipalatinsk geboren. Sein Großvater brachte ihm die Liebe zum kasachischen Aufklärer und Nationaldichter Abaj nahe, sein Onkel schickte ihn in die städtische russische Schule. 1919 beendete Auesow das Lehrerseminar in Semipalatinsk, 1928 die Fakultät für Orientalistik in Leningrad. Er war einer der wenigen aus der kasachischen Intelligenz, die die stalinschen Säuberungen überlebten. Nach seiner Promotion in Taschkent war er ab 1946 Mitglied der kasachischen Akademie der Wissenschaften. Auesow schrieb seit 1917 Erzählungen, Theaterstücke und Romane und übersetzte die russischen Klassiker ins Kasachische. Er starb 1961 in Moskau.

Kasachischen Literatur:

Anatolij Kim
Das Zwiebelfeld
Roman,
Aus dem Russischen von Walerija Weiser
180 Seiten, Französische Broschur, € 16,50
 978-3-935597-00-5
Der stotternde Trunkenbold Pawel taucht in einer Kolchos am Asowschen Meer auf und wird zum Wächter des Zwiebelfeldes bestellt. Der Krieg hat ihm die Kindheit geraubt, mit dem Streben seiner Mitmenschen nach Wohlstand und gesellschaftlicher Anerkennung weiß er nichts anzufangen. Nach den Jahren an der Seite einer ihm gleichgültigen Frau, die in ihm den toten Geliebten umarmt, verläßt er Moskau auf der Reise nach Irgendwohin. Seinen Weg kreuzen Menschen, deren Psyche von Krieg, Lager und Verbannung beschädigt ist und die ihr Leben auf der Suche nach einem Zipfel vom Glück verbrauchen. Anatolij Kim zeichnet ein meisterhaftes Psychogramm einer verlorenen Generation. Er gibt den Verdammten eine Stimme, läßt sie Sinn und Wahrheit des gelebten Lebens artikulieren. Pawel, der Protagonist, wie ein Wollgras vom Steppenwind getrieben, besitzt mehrere Züge des Autors. In seinen Erinnerungen erzählt der koreanisch-russische Schriftsteller die Geschichte seines Klans, die Geschichte einer Sehnsucht nach Domizil und sozialer Identifikation.  Anatolij Kim wurde 1939 in Kasachstan geborenen, seine koreanische Familie aus Sachalin deportiert. Der russisch schreibende Autor gilt als ein Meister der Psychologisierung und der Verknüpfung östlicher und westlicher Mythen und Lebenswelten. Seine Werke wurden weltweit in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt.


Für den Interkulturellen Unterricht

Dayeli-Bohne:
Literatur im interkulturellen Sprachunterricht, Bd. I:
Eine literaturwissenschaftliche Analyse von Y. Kemals Werk, Sänger der Cukurova
 3-935597-40-1
299 S., Br., € 26,00
Im ersten Band stellt Helga Dagyeli-Bohne Leben und Werk des türkisch-kurdischen Schriftstellers Yasar Kemal vor ihrem literaturgeschichtlichen und politischen Hintergrund dar. Sein Werk ist geeignet, der Phantasie junger Menschen unbekannte Räume zu eröffnen und sich mit neuen Situationen und Lebensgewohnheiten vertraut zu machen. Kemals Romane beeindrucke vor allem durch die fulminante Beschreibung der Natur in ihrer ganzen Pracht und Fülle, aber auch in ihrem Schrecken. Farben, Formen, Motive und Symbole werden auf ihren mythologischen und sozialen Gehalt hin untersucht. Sie dienen als Spiegelbild der sozialen Verhältnisse einer sich verändernden bäuerlichen und nomadischen Welt.
Helga Dagyeli-Bohne wurde 1940 in Nürnberg geboren. Sie unterrichtete viele Jahre an einer Gesamtschule und promoviene zum Thema "Literatur im interkulturellen Sprachunterricht". Zusammen mit Yildirim Dagyeli übersetzte sie Werke zahlreicher Autoren aus dem Türkischen, darunter Näzim Hikmet, Sait Faik, Demir Özlü und Yasar Kemal.



Helga Dagyeli-Bohne
»Literatur im interkulturellen Sprachunterricht«
Bd. II: Literaturdidaktik und Projektarbeit
 3-935597-41-X
300 Seiten, kart., € 26,00
Spätestens seit Veröffentlichung der ersten PISA-Studie ist die Misere an deutschen Schulen kaum noch zu übersehen. Gerade in sogenannten »Problemvierteln« scheitern sie häufig an ihrem Bildungs- und Integrationsauftrag. Bereits zu Beginn der 90er Jahre führte Helga Dagyeli-Bohne in einer Nürnberger Schule mit hohem Migrantenanteil Schulprojekte zu interkulturellem Literaturunterrichtunterricht durch. Anhand des Werkes von Yisar Kemal wurden die Schüler an
Themen wie Multikukuralität und kulturelle Identität herangeführt. Die Autorin beschäftigt sich mit der Umsetzung in den Deutschunterricht. Vor dem Hintergrund eines Paradigmenwechsels in der Pädagogik werden im literaturdidaktischen Teil die theoretischen Grundlagen gelegt für die
sich anschließenden vier Unternchtsproiekte. Jedes Unterrichtsvorhaben wird genau dokumentiert; die im Kreativen Schreiben und im produkt- und handlungsorientierten Unterricht entstandenen Schreibentwürfe der Heranwachsenden werden anhand eines Evaluationsleitfadens
ausgeweitet. Kemals Werk erweist sich dabei nicht nur für interkuliurelles Lernen als sehr geeignet, sondern auch für das Lernen mit allen Sinnen, weil es grundlegende Menschheitserfahrungen ohne Begrenzung auf ein Land oder eine Nation in den Mittelpunkt stellt und von einer tiefen Humanität geprägt ist. In vielen Einzelheiten ermöglicht das Buch dem Leser nachzuvollziehen, wie Jugendliche im Unterricht sprachlich, literarisch und damit auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung dadurch gefördert werden, daß sie sich aktiv mit dem Werk des Autors auseinandersetzen. Sie schreiben z.B. einen Brief an den Autor, der beantwortet wird, lassen sich anregen zu eigenen Schreibversuchen, setzen Teile eines Romans in Hörzenen um, vergleichen Texte Kemals mit einem Paralleltext aus der Romantik sowie den Texten der Klassenkameraden. Die Autorin macht zahlreiche Vorschläge, wie man Lesefreude bei jugendlichen Lesern wecken bzw. erhalten, ihre
Motivation fördern und damit ihre Kompetenzen im Fach Deutsch verbessern kann. Wie wichtig gerade dies ist, haben uns die jüngsten Studien zur Lesekompetenz Jugendlicher drastisch vor Augen geführt. Der Band enthält zahlreiche Anregungen für den Literaturunterricht und fächerübergreifende Projekte. Das Werk Yasar Kemals, so wie es von der Autorin vorgestellt wird, ist in hohem Maße für den Unterricht geeignet, um Lernenden vor Augen zu führen, wie sinnstiftend die »Erzählung« Postmanscher Prägung sein kann, von der die Autorin zu Beginn ausgeht.
.................................................zurück nach oben


Dagyeli, Yildirim:
Die Zeiten im Türkischen und die Konjugation [ 350 türkischer Verben ]
Br., € 12,80

  Yildirim Dagyeli

 

Elçin:
Das weisse Kamel
Roman, aus dem Aserbaidschanischen von Alpaslan und Gökalp Bayramli
226 S., gebunden, € 16,90
ISBN 3-935597-34-7

Für den kleinen Alekber, der einmal Schriftsteller werden möchte, bietet das Leben in einem Altstadtviertel Bakus zu Beginn des Zweiten Weltkrieges mit seinen skurilen Existenzen den Stoff für zukünftige Geschichten. Aus seinem Blickwinkel heraus eröffnet sich ein geheimnisvoller Mikrokosmos aus politischem Verrat und verbotener Liebe.

Elçin geboren 1943 in Baku, wurde Ende der 50er Jahre mit Erzählungen, Novellen und literaturkritischen Arbeiten bekannt. In der Breschnewära erhielt er zwei Jahre Schreibverbot. Elçin übersetzte auch klassische und moderne Weltliteratur in das aserbaidschanische Türkisch.





»Islam auf Sendung«
Islamische Fernsehprogramme im Offenen Kanal
Mit zahlreichen Abbildungen und Sendeverzeichnissen.
Herausgegeben von Anke Bentzin, Jeanine Elif Dagyeli, Ayfer Durdu und Riem Spielhaus
200 S., Br., €  14,80
978-3-935597-45-6
In den letzten Jahren wird viel über die Mediennutzung von Migranten in Deutschland gesprochen. Studien setzen sich mit der Rolle auseinander, die Satellitenfernsehen und Sendungen aus den Heimatländern für die migrantischen Gemeinden spielen und stellen die Frage nach deren Beitrag für die Integration in Deutschland. »Islam auf Sendung« beschäftigt sich mit Muslimen, die aktiv die Möglichkeiten des Mediums Fernsehen ausschöpfen, indem sie selbst Sendungen über ihre Sicht des Islam produzieren. Dies wiederum ist nur im Rahmen der Offenen Kanäle möglich. Offene Kanäle entstanden bei der Privatisierung des Fernsehens in verschiedenen Städten und Regionen der Bundesrepublik. Ziel dieser Offenen Kanäle war es, vor allem unterrepräsentierten gesellschaftlichen Gruppen einen Zugang zu Medien und zur Selbstdarstellung zu verschaffen. Obwohl bei der Konzeption nicht an Migranten und noch weniger an Muslime gedacht war, begannen diese die Offenen Kanäle intensiv zu nutzen. Mancherorts werden Offene Kanäle bereits vorrangig durch die in ihnen ausgestrahlten islamischen Sendungen wahrgenommen.
Die Autorinnen gehen Fragen nach der Sichtbarkeit des Islam in Deutschland, Selbstrepräsentation und Veränderungen innerhalb des muslimischen Diskurses nach, die durch die Nutzung des Mediums Fernsehen angestoßen werden. Anhand von Sendungen, die im Offenen Kanal Berlin zwischen 1998 und 2005 ausgestrahlt wurden, werden der Offene Kanal, muslimische Sendemacher, Sendeformate und -Inhalte dargestellt. Die Gestaltung islamischer Autorität im Fernsehen, islamische Binnenkommunikation und Zuschauerreaktionen sowie der Umgang mit der multilingualen islamischen Gemeinschaft in Deutschland und die daraus resultierende Sprachwahl für die Sendung werden analysiert. Das Buch zeigt die Vielfältigkeit der islamischen Diskurse in Deutschland: von Diskussionsrunden, vorgetragenen Lektionen und Predigten bis hin zu spirituellen Wegen zum islamischen Wissen. Interviews mit Akteuren und dem Offenen Kanal sowie teilnehmende Beobachtung runden das Bild ab.
Die Herausgeberinnen sind Islamwissenschaftlerinnen, die in verschiedenen Bereichen zum Thema Islam in Deutschland gearbeitet haben. Anke Bentzin und Riem Spielhaus sind als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin tätig. Jeanine Elif Dagyeli ist Verlegerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Orientwissenschaftlichen Zentrum der Martin-Luther-Universität Halle. Ayfer Durdu promoviert am Zentralasienseminar der Humboldt-Universität zu Berlin.

 
Nâzim Hikmet:
Yasamaya
Dair
Die markante Stimme des Hamburger Schauspielers 
Demir Gökgöls in elegant zurückhaltenden Jazz eingebettet:
Die seit langem beste Interpretation Hikmets.
 Yorum: Demir Gökgöl
[ In Fatih Akins Film »Gegen die Wand« 
spielt er den Vater von Sibel ]
  € 15,30
CD in türkischer Sprache [Rückseite]

---home[Beachten Sie bitte den Haftungsausschluss im Impressum!]

BesTellBuch@T-Online.de
zurück nach oben